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Seilrissübung am Anfang jeder Saison ratsam

 

29. Jan 2017 - 08:31 Uhr


Flugsicherheit

Seilrissübung am Anfang jeder Saison ratsam

Das Segelflugzeug LS 4-b startete um 17:45 Uhr am Segelfluggelände Klippeneck an der Winde in Startrichtung 05. An Bord des Segelflugzeuges befand sich ein 44-jähriger Segelflugzeugführer, der eine Platzrunde absolvieren wollte.


Sachverhalt


  • Art des Ereignisses: Unfall
  • Datum: 07. Mai 2016
  • Ort: Klippeneck
  • Luftfahrzeug: Segelflugzeug
  • Hersteller / Muster: Rolladen-Schneider Flugzeugbau GmbH / LS 4-b
  • Personenschaden: Pilot schwer verletzt
  • Sachschaden: Segelflugzeug schwer beschädigt
  • Drittschaden: Flurschaden

Ereignisse und weiterer Flugverlauf



Nach Angaben des Piloten verlief der Windenstart normal, bis in einer Höhe von 150 Metern über Grund das Windenseil riss. Der Pilot gab weiter an, dass er nach dem Seilriss nachgedrückt und nachgeklinkt habe. Anschließend sei er nach rechts gekurvt und im Gegenanflug "relativ schnell auf Baumhöhe" gesunken und habe die Bäume berührt. Nach dem Kontakt mit den Bäumen habe er "etwas hoch gezogen" und versucht, normal zu landen, was ihm aber nicht mehr gelungen sei.



Während des Einkurvens in den Endanflug kollidierte die LS 4-b erneut mit einem Baum. Das Segelflugzeug gelangte im Bereich eines Campingplatzes im Geäst einer ca. zehn Meter hohen Fichte in seine Endlage. Der Pilot wurde schwer verletzt und das Luftfahrzeug schwer beschädigt. Abb. 2 zeigt den Flugweg und die Unfallstelle.


Angaben zu Personen


Der 44-jährige Segelflugzeugführer war seit dem 23.06.2005 Inhaber einer Lizenz für Segelflugzeugführer, die am 08.04.2015 in eine unbefristet gültige Lizenz nach den Regelungen der Europäischen Union umgeschrieben worden war. In die Lizenz war die Startart Windenschlepp eingetragen. Das flugmedizinische Tauglichkeitszeugnis Klasse 2 war bis zum 23.11.2017 gültig. Es enthielt die Auflage eine Sehhilfe zu tragen mitzuführen.


Der Segelflugzeugführer verfügte über eine Flugerfahrung von 124 Stunden mit 405 Starts, davon 25 Stunden und 52 Starts auf dem Muster LS 4-b. In den letzten 90 Tagen hatte er sechs Windenstarts auf den Mustern ASK 13 und ASK 21 durchgeführt, davon Starts im Alleinflug. Den letzten Flug mit der LS 4–b hatte er am 30.08.2014 absolviert.


Angaben zum Luftfahrzeug


Das einsitzige Segelflugzeug LS 4-b wurde im Jahr 1997 mit der Werknummer 41014 von der Firma Rolladen-Schneider in Bruchsal in Kunststoffbauweise gefertigt. Das als Schulterdecker ausgelegte Segelflugzeug verfügt über ein T-Leitwerk und ein einziehbares Fahrwerk.


Das Luftfahrzeug war in Deutschland zum Verkehr zugelassen und wurde von einem Luftsportverein betrieben. Die letzte Prüfung der Lufttüchtigkeit erfolgte am 16.09.2015. Seitdem betrug die Betriebszeit des Segelflugzeuges 26 Stunden. Abb. 3 zeigt eine 3-Seiten-Ansicht der LS 4-b (Quelle: Hersteller).


Meteorologische Informationen


Am Segelfluggelände Klippeneck betrug nach Angaben des Flugleiters die Sicht über zehn km. Der Wind kam aus 100 Grad mit zwei bis fünf Knoten. Die Temperatur lag um 20 °C und der Luftdruck (QNH) betrug 1.004 hPa.


Funkverkehr


Es bestand eine Funkverbindung mit der Startstelle. Während des Fluges wurde nicht über Funk kommuniziert.


Angaben zum Flugplatz


Das Segelfluggelände Klippeneck befindet sich rund zehn km östlich der Stadt Villingen-Schwenningen. Die Flugplatzhöhe beträgt 975 Meter AMSL. Das Segelfluggelände verfügt über eine 1.200 Meter lange Graspiste mit der Ausrichtung 050/230 Grad. Zur Unfallzeit war die Start- und Landerichtung 05 aktiv.


Flugdatenaufzeichnung


Der BFU stand ein GPS-Gerät zum Auslesen der Flugdaten zur Verfügung. Der Flugweg konnte ausgelesen werden. Die aufgezeichneten Daten belegen, dass der Seilriss in ca. 150 Meter Höhe über Grund erfolgte und die Fluggeschwindigkeit in der Platzrunde im Querabflug und Gegenanflug bis zu 130 km/h betrug. Im Queranflug befand sich das Segelflugzeug mit unter 30 Meter Höhe in Bodennähe, wobei die Geschwindigkeit kontinuierlich langsamer wurde.


Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug


Die Unfallstelle lag im südwestlichen Teil des Segelfluggeländes Klippeneck am Rand eines flugplatzeigenen Campingplatzes mit abgestellten Wohnwagen. Das Segelflugzeug befand sich im unteren Drittel einer rund zehn Meter hohen Fichte. Der Rumpf zeigte mit dem Bug in südwestliche Richtung. Das Titelfoto zeigt die Unfallstelle mit Blickrichtung Südwest.


Die linke Tragfläche war mit dem Rumpf verbunden und hatte mit der Flächenspitze Bodenkontakt. Die rechte Tragfläche war um 90 Grad abgeknickt und parallel zum Rumpf ausgerichtet. Die Haube war zersplittert. Rumpf, linke Tragfläche und Leitwerke waren optisch unbeschädigt.


Die Verbindungen zwischen den Steuerorganen und Rudern waren gegeben, die Beweglichkeit war aufschlagsbedingt teilweise eingeschränkt. Hinweise auf technische Mängel am Segelflugzeug und der Steuerung ergaben sich bei der Untersuchung nicht. Abb. 4 zeigt die Unfallstelle mit Blickrichtung Nord.


Organisationen und deren Verfahren


Nach Angaben des Vereins wurden beim Jahresbriefing 2016 die Notverfahren im Segelflugbetrieb durchgesprochen. Bei starkem Segelflugbetrieb und dem Betrieb von mehr als einer Windenschleppstrecke sollte bei einem Seilriss keine verkürzte Platzrunde, sondern eine Umkehrlandung geflogen werden. Ansonsten sei das Fliegen einer verkürzten Platzrunde vorgesehen.


Vor dem ersten Alleinflug im Jahr 2016 hatte der Segelflugzeugführer zwei Checkflüge mit Fluglehrer absolviert. Eine Seilrissübung wurde nicht durchgeführt. Der Segelflugzeugführer gab an, in seiner Ausbildung vier Seilrissübungen gemacht zu haben; ferner habe er zwei richtige Seilrisse in seiner fliegerischen Praxis erlebt. Er gab weiter an, dass er das Einleiten einer verkürzten Rechtsplatzrunde nach dem Seilriss als Fehler ansähe, eine Linksplatzrunde wäre seiner Ansicht nach besser gewesen. Zudem sagte er aus, dass ihm vorgegebene, standardisierte Notverfahren im Verein nicht bekannt seien.


Beurteilung


Das Luftfahrzeug war ordnungsgemäß zum Verkehr zugelassen und nachgeprüft. Der verantwortliche Segelflugführer hatte die erforderliche Lizenz, um den Flug durchzuführen.


Er verfügte mit 124 Flugstunden und über 400 Starts in einem Zeitraum von über zehn Jahren über keine routinierte Flugerfahrung. Mit dem Segelflugzeugmuster LS 4-b war er mit 52 Starts und 25 Stunden vertraut, allerdings lag der letzte Flug auf dem Muster bereits mehr als eineinhalb Jahre zurück.


Seine aktuelle Flugpraxis im Jahr 2016 war mit sechs Flügen auf den Mustern ASK 13 und ASK 21, davon drei im Alleinflug, unterdurchschnittlich; zumal er im Jahr 2015 auch nur neun Flüge auf einer ASK 21 mit Fluglehrer und einen Flug solo absolviert hatte.


Aus der Sicht der BFU stellt sich der Unfall wie folgt dar: Nach dem erfolgten Seilriss in ca. 150 Metern Höhe über Grund flog der Segelflugzeugführer zunächst geradeaus, nahm Fahrt auf und leitete im Anschluss eine verkürzte Platzrunde nach rechts ein.


Aufgrund der vorhandenen Defizite bezüglich der Inübunghaltung und der Tatsache, dass er das Muster LS 4-b längere Zeit nicht geflogen hatte, führten mutmaßlich zu Fehleinschätzungen der Fluggeschwindigkeit, des Gleitwegs, der Landeinteilung und der Höhenreserve.


Schlussfolgerungen


Der Unfall ist darauf zurückzuführen, dass der Pilot die Hindernisfreiheit für seine Landeeinteilung falsch einschätzte, die Kontrolle über den Flugweg verlor und beim Eindrehen in den Endanflug, mit einem Baum kollidierte.


Zu dem Unfall haben beigetragen:


  • eine unterdurchschnittliche Flugerfahrung insgesamt
  • eine mangelnde Inübunghaltung zu Beginn der Segelflug-Saison
  • eine Steuerführung der LS 4-b nach einer längeren Flugpause auf dem Muster
  • fehlende mentale Auseinandersetzung in Bezug auf Startunterbrechungen
  • Fehlen einer Seilrissübung mit Lehrer zu Beginn der Segelflug-Saison

Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, entsprechen Ortszeit. Quelle und Bilder, soweit nicht anders angegeben: BFU


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