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Bölkow 207 stürzte nach Start in EDPI ab

 

01. Mai 2016 - 09:19 Uhr


Flugsicherheit

Bölkow 207 stürzte nach Start in EDPI ab

Der Luftfahrzeugführer startete mit der Bölkow 207 um 14:07 Uhr auf der Piste 22 des Sonderlandeplatzes Moosburg auf der Kippe (EDPI) zu einem Überlandflug mit dem Ziel Mühldorf am Inn (EDMY).

Identifikation

  • Art des Ereignisses: Unfall
  • Datum: 15. April 2015
  • Ort: Moosburg
  • Luftfahrzeug(e): Flugzeug
  • Hersteller / Muster: Bölkow-Apparatebau GmbH / Bölkow 207
  • Personenschaden: Luftfahrzeugführer tödlich verletzt
  • Sachschaden: Luftfahrzeug zerstört
  • Drittschaden: Flurschaden

Ereignisse und Flugverlauf

Zuvor war der Luftfahrzeugführer zusammen mit zwei Fluggästen von Herzogenaurach (EDQH) nach Moosburg geflogen, um diese dort abzusetzen. Anschließend hatte er die Bölkow 207 in Moosburg betankt. Nach Angaben von Zeugen verlief der Startlauf bis zum Abheben ohne Auffälligkeiten. An der Halbbahnmarkierung habe das Luftfahrzeug in Dreipunktlage abgehoben und anschließend in zwei bis drei Meter Höhe fliegend weder an Fahrt noch an Höhe gewinnen können.

Die Zeugen gaben weiterhin an, dass das Flugzeug mit großem Anstellwinkel geflogen sei und um die Hochachse geschwankt habe. Am Ende der Piste kollidierte die Bölkow 207 mit der angrenzenden Baum- und Strauchvegetation und geriet in Brand. Der Luftfahrzeugführer wurde tödlich verletzt und das Luftfahrzeug zerstört. Das Titelbild zeigt den Flugweg und die Unfallstelle (Quelle: BFU/Google EarthTM).

Angaben zu Personen

Der 64-jährige Luftfahrzeugführer war Inhaber einer Lizenz für Verkehrspiloten (ATPL), die am 12.06.2013 in eine ATPL-Lizenz nach den Regelungen der Europäischen Union umgeschrieben wurde. Neben verschiedenen Berechtigungen aus dem gewerblichen Bereich enthielt die Lizenz die Klassenberechtigung als PIC für einmotorige Landflugzeuge (SEP land), gültig bis 30.09.2015. In die Lizenz waren Berechtigungen zum Schleppen von Segelflugzeugen (ST (A) und Kunstflug (Aerobatic) eingetragen.

Ferner enthielt die Lizenz den Eintrag einer Lehrberechtigung für PPL (A) mit den Einträgen CPL (Ausbildung von Berufsflugzeugführern), ME SP (mehrmotorige Luftfahrzeuge), night (Nachtflugberechtigung), instructor (Ausbildung von Fluglehrern), IR instructor (Ausbildung von Fluglehrern für Instrumentenflug), gültig bis 30.09.2016. Das Tauglichkeitszeugnis Klasse 1 war bis 08.03.2016 gültig, verbunden mit der Auflage, eine Brille zu tragen und eine Ersatzbrille mitzuführen. Informationen zur Flugpraxis und Flugerfahrung lagen der BFU nicht vor.

Angaben zum Luftfahrzeug

Die Bölkow 207 ist ein Tiefdecker in Holzbauweise mit einem festen Fahrwerk mit Spornrad des Herstellers Bölkow-Apparatebau GmbH. Das viersitzige Flugzeug mit der Werknummer 219 wurde 1961 gebaut. Das Luftfahrzeug verfügte über einen O-360-A1A-Motor des Herstellers Lycoming. Es war in Deutschland zum Verkehr zugelassen und wurde in privater Halterschaft betrieben. Die letzte Prüfung der Lufttüchtigkeit erfolgte am 10.12.2014.

Die Gesamtbetriebszeit betrug bis zu diesem Zeitpunkt 2-654 Stunden. Aufzeichnungen über den Betrieb des Luftfahrzeuges nach dem 10.12.2014 standen nicht zur Verfügung. Bei einer Leermasse von 773 kg betrug die maximale Abflugmasse laut Kennblatt 1.200 kg. Als Gesamtmasse zum Zeitpunkt der Störung wurden ca. 1.002 kg ermittelt. Abb. 2 zeigt die Bölkow 207 in 3-Seiten Ansicht (Quelle: Hersteller)

An Bord befanden sich rund 180 Liter Kraftstoff (AVGAS), was rund 129 kg entspricht. Als weitere Zuladung (Luftfahrzeugführer plus Gepäck) wurden 100 kg bestimmt.

Meteorologische Informationen

Der Bodenwind kam aus 240 Grad mit ca. sieben Knoten. Die Sichten lagen über zehn Kilometer und die Tageshöchsttemperatur betrug 23 Grad. Die Routinewettermeldung (METAR) am Flughafen München (EDDM) lautete:

METAR EDDM 151220Z 24007KT 200V280 CAVOK 22/03 Q1020 NOSIG=

Funkverkehr

Es bestand eine Funkverbindung mit der Flugleitung von Moosburg. Der Funkverkehr wurde nicht aufgezeichnet.

Angaben zum Flugplatz

Der Sonderlandeplatz Moosburg auf der Kippe (EDPI) befindet sich rund 40 km nordöstlich der Stadt München und 1,5 km südlich der Stadt Moosburg. Der Platz liegt in einer Höhenlage von 1.376 ft AMSL und ist von Wald, Baumreihen und Gebüsch umgeben. Er verfügt über eine 700 Meter mal 30 Meter lange Graspiste mit der Ausrichtung 040/220 Grad. Zur Unfallzeit war die Piste 22 in Betrieb.

Die Oberfläche der Piste war eben und trocken, der Grasbewuchs befand sich in einem initialen Wachstumsstadium mit einer Halmlänge von ca. fünf Zentimeter. Abb. 3 zeigt die Graspiste 22 mit Blick zur Unfallstelle am Ende des Flugplatzes.

Flugdatenaufzeichnung

Das Luftfahrzeug war weder mit einem Flugdatenschreiber (FDR) noch mit einem Cockpit Voice Recorder (CVR) ausgestattet. Beide Aufzeichnungsgeräte waren nach den gültigen luftrechtlichen Regelungen nicht gefordert.

Fragmente eines Tablet-Computers standen der BFU zum Auslesen zur Verfügung. Nutzbare Informationen konnten dem Gerät nicht entnommen werden.

Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug

Die Unfallstelle befand sich am Ende der Graspiste 22 innerhalb einer mit jungen Bäumen und Sträuchern bestockten Grünfläche, die im Umkreis von mehreren Metern um das Wrack verbrannt war. Der Abstand von der Endlage der Bölkow 207 bis zum Beginn der Piste 22 betrug 584 Meter. Auf einer Strecke von rund 50 Meter nordöstlich der Unfallstelle wurden u.a. verschiedene Bodenmarken und Fragmente von Holzleisten festgestellt.

Ca. acht Meter nordöstlich der Endlage des Flugzeuges lag ein etwa zwei Meter langer, gekrümmter Schildpfosten aus Metall einschließlich Betonfundament. Der ursprüngliche Standort des Schildes befand sich neun Meter nordöstlich dieser Fundstelle. Die Längsachse der verbrannten Bölkow 207 zeigte mit dem Vorderteil in südwestliche Richtung. Im Bereich des Cockpits war auf der rechten Seite die Struktur des Hauptholmes erkennbar.

In der Asche fanden sich Überreste einer Tasche, eines Luftfahrthandbuches (AIP), von ICAO-Luftfahrer-Karten aus dem Jahr 2015 sowie eines Tablet-Computers. Das äußerlich durch die Brandeinwirkung verrußte Triebwerk war einschließlich der Anbau-Aggregate optisch intakt.

Der Propeller wurde nahezu unverformt aufgefunden. Im Bereich der Endlage des Wracks konnten Einschlagmarken des Propellers nachgewiesen werden. Der linke Tank war zerstört, vom rechten Tank waren Teile der Struktur erkennbar. Das linke Hauptfahrwerksbein lag lose am Boden, das rechte Fahrwerksbein hing noch an den Überresten der rechten Seite des Hauptholms. Abb. 4 zeigt die Unfallstelle und Abb. 5 den Schildpfosten.

Der Bereich hinter dem Cockpit sowie die beiden Tragflächen waren durch den Brand nicht mehr vorhanden, die Metallstrukturen waren erkennbar und wiesen keine relevanten mechanischen Einwirkungen (Verformungen) auf. Die Trimmspindel stand in etwa auf Mittelstellung (neutral).

Der linke Randbogen wurde wenige Meter nordöstlich des Wracks aufgefunden und war deformiert. Der unbeschädigte Randbogen der rechten Tragfläche war abgerissen und befand sich sechs Meter außerhalb der Endlage des Rumpfes. Das Gurtschloss war offen. Der Leichnam des Piloten lag ca. zwei Meter außerhalb der linken Cockpitseite. Abb. 6 zeigt die Vermessung der Unfallstelle.

Medizinische und pathologische Angaben

Der Leichnam des Luftfahrzeugführers wurde obduziert. Bei der Obduktion wurde u.a. eine "massive Vergrößerung und Ausweitung des Herzens festgestellt. Ferner wurden eine "Coronararteriensklerose" sowie "der Zustand nach Einbringen eines Stents" nachgewiesen.

Nach Einschätzung des Mediziners "sind die festgestellten Befunde am Herzen ohne weiteres geeignet, eine Bewusstseinsstörung zu erklären", zumal der Luftfahrzeugführer "in der Vergangenheit einen Herzinfarkt erlitten hat".

Brand

Das Luftfahrzeug fing nach dem Aufprall Feuer und brannte aus.

Überlebensaspekte

Nach den Befunden der durchgeführten Obduktion hat der Pilot zum Zeitpunkt des Brandausbruches noch geatmet, da sich "Rußschlieren" in den unteren und oberen Atemwegen befanden.

Zusätzliche Informationen

Das Triebwerk wurde in einem Fachbetrieb untersucht. Hinweise auf Mängel wurden nicht festgestellt.

Beurteilung

Der verantwortliche Luftfahrzeugführer hatte die erforderliche Lizenz, um den Flug durchzuführen. Auch wenn konkrete Angaben zur Flugerfahrung nicht vorlagen, so ist dennoch davon auszugehen, dass er als langjähriger Berufspilot und Fluglehrer über eine überdurchschnittliche und routinierte Flugerfahrung verfügte. Das betrifft auch die Erfahrung auf der Bölkow 207, dessen Halter er war. Das Luftfahrzeug war ordnungsgemäß zum Verkehr zugelassen und nachgeprüft. Die Abflugmasse sowie der Schwerpunkt befanden sich im zulässigen Bereich.

Der Startlauf erfolgte auf einer Graspiste mit niedrigem Grasbewuchs bei einem schwachen bis mäßigen Gegenwind. Aufgrund der Zeugenaussagen zum Flugverlauf ist davon auszugehen, dass der Pilot das Luftfahrzeug spätestens nach dem Abheben in Dreipunktlage nicht mehr kontrollierte.

Die Bölkow 207 geriet und verblieb nach dem Abheben in Bodennähe in einen unkontrollierten Flugzustand und driftete nach links. Im letzten Drittel der Piste berührte sie mit der linken Tragflächenspitze unkontrolliert den Boden und kollidierte kurz darauf mit der linken Tragfläche mit einem Schild seitlich der Piste. Das Schild wurde vom Pfosten abgerissen. Der Pfosten wurde verformt und rund neun Meter mitgerissen. Anschließend rutschte das Flugzeug in die Baum- und Strauchvegetation am Ende des Flugplatzes und geriet in Brand.

Es ist davon auszugehen, dass durch den Kontakt mit dem Schildpfosten der linke Flächentank aufgerissen wurde und sich der Kraftstoff entzündete. Die Fakten, dass der Leichnam des Piloten neben dem Luftfahrzeug aufgefunden wurde und bei der Obduktion "Rußschlieren" in den Atemwegen nachgewiesen wurden, legen nahe, dass er das Flugzeug verlassen hatte, sich aber durch das einsetzende Feuer nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte. Es ist mit einer hohen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Luftfahrzeugführer aufgrund seiner medizinischen Disposition während des Startvorgangs eine Bewusstseinsstörung erlitt, in deren Folge er die Kontrolle über die Führung des Luftfahrzeuges verlor.

Für den Fall einer ebenfalls denkbaren Fehlbedienung beim Abheben und/oder einer falschen Einstellung wie z.B. Powersetting, Propeller-Einstellung, Trimmung oder Klappen, ist davon auszugehen, dass aufgrund der Erfahrung des Luftfahrzeugführers sowie der beim Abheben noch ausreichend verfügbaren Startstrecke ein erfolgreiches Korrigieren bzw. ein Startabbruch möglich gewesen und erfolgt wäre.

Schlussfolgerungen

Der Unfall ist darauf zurückzuführen, dass das Luftfahrzeug nach dem Abheben – mutmaßlich durch eine Bewusstseinsstörung des Piloten – in einen unkontrollierten Flugzustand geriet und auf den Boden prallte.

Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, entsprechen Ortszeit. Quelle und Bilder, sofern nicht anders angegeben: BFU.

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