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Lochkorrosion: Zwang Spülmittel A330 in die Knie?

 

08. Okt 2017 - 00:07 Uhr


Flugsicherheit

Lochkorrosion: Zwang Spülmittel A330 in die Knie?

Während des Rollens des Flugzeuges zur Startbahn kam es beim Einleiten einer Kurvenbewegung zum Bruch des Fahrwerkträgers (Bogie Beam) des rechten Hauptfahrwerkes im Bereich hinter der Dämpferbein-Anbindung (Shock Absorber).


Der Airbus A330 verließ um 15:50 Uhr die Abstellposition 113 am Terminal 1 und rollte über das Vorfeld West. Dabei benutzte es die Rollbahnen Oscar 1, Charly 4 und den Eingang Sierra 6 zum Bereich der Startbahn 26L.


Identifikation


  • Art des Ereignisses: Schwere Störung
  • Datum: 17. August 2007
  • Ort: Int. Verkehrsflughafen München
  • Luftfahrzeug: Verkehrsflugzeug
  • Hersteller / Muster: Airbus / A 330-200
  • Personenschaden: keiner
  • Sachschaden: Luftfahrzeug leicht beschädigt
  • Drittschaden: Beschädigung der Rollwegoberfläche

Ereignisse und weiterer Flugverlauf


Gegen 16:00 Uhr verließ das Flugzeug den Eingangsbereich Sierra 6. Die Linkskurve leitete die Maschine auf den Rollweg Sierra ein. Beim Einleiten der Kurvenbewegung brach der Fahrwerkträger des rechten Hauptfahrwerkes im Bereich hinter der Dämpferbein-Anbindung.


Die unverzüglich eingeleitete Bremsung brachte das Flugzeug hinter der Kurve zum Stehen. Die 244 Passagiere und 15 Besatzungsmitglieder verließen die Maschine unverletzt über die auf dem Rollweg bereitgestellten Fluggasttreppen. Das Titelbild zeigt die Einsatzstelle auf dem Rollweg Sierra.


Angaben zu Personen


Der verantwortliche Luftfahrzeugführer war im Besitz einer Lizenz für Verkehrspiloten (ATPL) nach ICAO Richtlinie. Erstmals wurde die Lizenz im Jahr 1994 von der General Civil Aviation Authority der Vereinigten Arabischen Emirate (UAE) ausgestellt. Er besaß ein flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis der Klasse 1.


Der Co-Pilot verfügte über eine Berufspilotenlizenz (CPL(A)) nach ICAO Richtlinie. Diese wurde im Jahr 2006 erstmals durch die General Civil Aviation Authority der UAE ausgestellt. Er war im Besitz eines flugmedizinischen Tauglichkeitszeugnisses der Klasse 1.


Angaben zum Luftfahrzeug


Bei dem Luftfahrzeugmuster Airbus A 330-200 handelte es sich um ein Verkehrsflugzeug mit zwei Triebwerken vom Typ Rolls Royce RR Trent 772B-60. Das Flugzeug wurde im Jahr 2000 mit der Seriennummer 328 hergestellt und war in den Vereinigten Arabischen Emiraten zum Verkehr zugelassen.


Die maximal zulässige Abflugmasse des Luftfahrzeuges betrug 233.000 kg. Zum Zeitpunkt der Schweren Störung hatte das Luftfahrzeug eine tatsächliche Abflugmasse von 198.631 kg. Das Flugzeug war mit einem Bugfahrwerk und zwei Hauptfahrwerken unter den Tragflächen ausgerüstet. Der gebrochene Fahrwerksträger wurde im November 1999 gefertigt und war bis zum Bruch etwa 32.616 Flugstunden, bei 8.682 Starts und Landungen, in Betrieb.


Meteorologische Informationen


Es herrschte Tageslicht bei aufgelockerter Bewölkung. Der Wind kam aus Richtung 170° mit einer Stärke von vier Knoten. Die Bodensicht betrug mehr als zehn Kilometer.


Funkverkehr


Es bestand Funkverbindung mit München Rollkontrolle.


Angaben zum Flugplatz


Der Internationale Verkehrsflughafen München verfügte über zwei parallele Start- und Landebahnen mit einem Belag aus Beton. Beide Bahnen mit den Bezeichnungen 08L/26R bzw. 08R/26L, hatten jeweils eine Länge von 4.000 Metern und eine Breite von 60 Metern. Die drei Vorfelder und die Rollwege hatten ebenfalls einen Betonbelag.


Flugdatenaufzeichnung


Der Flugdatenschreiber und der Cockpit-Voice-Recorder wurden von der BFU sichergestellt und ausgewertet.


Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug


Im Einmündungsbereich des Einganges Sierra 6 zum Rollweg Sierra befanden sich ein Hydraulikölfleck und eine Einschlagstelle in der Betonoberfläche des Rollweges. Von dieser Einschlagstelle beginnend verlief eine Furche im Beton entlang des Kurvenradius. Diese Furche hatte eine Länge von 42,8 Metern und war bis zu drei Zentimeter tief.


Das Flugzeug stand auf dem Rollweg Sierra hinter dem Einmündungsbereich Sierra 6 in Richtung 082°. Es hatte sich nach rechts geneigt. Das rechte Triebwerk und die rechte Tragfläche hatten keine Bodenberührung. Der Träger des rechten Hauptfahrwerkes war in zwei Teile gebrochen. Die Bruchstelle befand sich etwa 90 mm hinter dem Gelenkbolzen, der das Federdämpferbein des Fahrwerkes mit dem Träger verbindet.


Durch den Bruch war der hintere Teil des Fahrwerkträgers einschließlich der hinteren Achse und der beiden hinteren Räder komplett abgetrennt worden. Eine Verbindung zwischen dem hinteren Teil des gebrochenen Fahrwerkträgers, der hinteren Achse und der hinteren Räder mit dem Rest des Fahrwerkes bestand nur noch über zwei Bremsgestänge. Das Flugzeug erreichte seine Endlage während das untere Ende der Aufnahmegabel des Dämpferbeines über die Rollbahn schleifte.


Da der Bruch des Fahrwerkes ursächlich für diese schwere Störung war, richteten sich die weitergehenden Untersuchungen auf den Bruch am Fahrwerkträger. Der Fahrwerkträger hatte ein rohrähnliches Aussehen. An seinen beiden Enden befanden sich zwei Buchsen, in denen die Achsen für die Räder steckten. In der Mitte des Fahrwerkträgers war der Lagersitz für den Gelenkbolzen angebracht. Bei einer ersten Untersuchung der Bruchflächen des Trägers noch vor Ort, wurde festgestellt, dass der Bruch an der 6-Uhr-Position des inneren Rohrumfanges seinen Ursprung hatte.


In diesem Bereich des Trägerbodens fehlte der Farbanstrich an einigen Stellen der Innenseite. Einige Beschädigungen waren auch auf den beiden Bruchoberflächen sichtbar, hervorgerufen durch das Bewegen über den Rollwegbelag. Der untere Rand des äußeren Rohrumfanges war auf beiden Seiten der Bruchfläche abgeschliffen. Ebenso waren die untere Seite der Gabel des Fahrwerkbeines und das Bremsgestänge abgeschliffen. Die Bremsschläuche für die hinteren Räder waren abgerissen. Im Inneren des Fahrwerkträgers befanden sich verschiedene Substanzen, wie Schmierstoffe und Verunreinigungen. Die Abbildungen 2 und 3 zeigen die Bruchhälften; Abbildung 2: Vorderer Teil des Fahrwerkträgers mit Gelenkbolzen, Abbildung 3: Hinterer Teil des Fahrwerkträgers mit hinterem Räderpaar.


Nach dieser ersten augenscheinlichen Untersuchung vor Ort wurden die beiden Fahrwerkträger-Hälften demontiert und die Bruchflächen versiegelt. Danach wurden sie nach Großbritannien versendet, wo die weiteren Untersuchungen mit Unterstützung des Fahrwerkherstellers unter Aufsicht der britischen Flugunfalluntersuchungsstelle (Air Accidents Investigation Branch) erfolgten. Abb. 4 zeigt eine Zeichnung des Fahrwerkträgers, bei der die rote Linie den Ort der Bruchebene markiert.


Zunächst wurden Proben von den Rückständen im Innern des Fahrwerkträgers entnommen. Anschließend wurde der Fahrwerkträger um den Bruch herum gereinigt. Dabei zeigte sich, dass sich der Farbanstich in einigen Bereichen abgelöst hatte beziehungsweise ganz fehlte. An einigen Stellen hatte der Anstrich eine raue Oberfläche oder Blasen gebildet. An Stellen, an denen die Farbe fehlte, war eine galvanische Schutzschicht sichtbar. Dabei handelte es sich um eine Kadmiumbeschichtung. Unmittelbar um den Rissursprung, in einem Bereich von etwa 50 mm mal 50 mm, war die Oberfläche des Materials frei von Farbe und Kadmiumbeschichtung und korrodiert. Es wurden weitere Proben von Fett, Farbe und Verunreinigungen an verschiedenen Stellen aus dem Inneren des Fahrwerkträgers entnommen. Dabei ließ sich der Farbanstrich um die korrodierte Stelle herum leichter ablösen als weiter entfernt davon.


Eine zerstörungsfreie Untersuchung des Bauteils ergab keine Hinweise auf weitere Rissbildungen. Untersuchungen des Werkstoffes zeigten, dass dieser keine Überbeanspruchungen während der Fertigung erfuhr und über geringe Eigenspannungen verfügte. Des Weiteren wurden aus dem Bauteil Materialproben entnommen, mit denen Zugprüfungen durchgeführt wurden. Die Ergebnisse entsprachen der Materialspezifikation.


Bei der Betrachtung der Bruchfläche durch ein Lichtmikroskop bei 30-facher Vergrößerung wurde der Bruchausgangspunkt an der Oberfläche am Bodeninneren des Trägers lokalisiert. Am Ursprung war eine Korrosionsnarbe erkennbar, dargestellt in Abbildung 6. Abb. 5 zeigt den Bruch mit Ausgangspunkt, Abb. 6: zeigt die Bruchausgangsstelle am Fahrwerkträger.


Das Korrosionsloch hatte eine Gesamttiefe von 0,669 mm und an der Oberfläche einen Durchmesser von 1,534 mm. Um die Lochkorrosion herum wies die Bruchoberfläche Anzeichen von interkristallinen Brüchen mit der typischen Daumennagelform auf. Die Länge der Scherlippen betrug 10,506 mm und es wurden Bruchbänder bis zu einer Tiefe von 6,4 mm festgestellt. Die Rissausbreitung erfolgte durch die Spannungsrisskorrosion.


Die Oberfläche des Restbruches hatte ein duktiles Erscheinungsbild. Die Wandstärke, wie auf den Bildern 5 und 7 zu sehen, war schmaler als die ursprüngliche Wandstärke, da ein Teil des Außenradius beim Entlangschleifen auf der Rollbahnoberfläche abgetragen worden war. Abb. 7: Bruchausgangspunkt mit Scherlippen am Fahrwerkträger. Die rasterelektronenmikroskopischen Aufnahmen bestätigten die Befunde der lichtmikroskopischen Untersuchungen.


Nachdem die Untersuchungen des Bruches die oben genannten Fakten lieferten, richtete sich in den weiteren Untersuchungen der Fokus auf den Korrosionsschutz des Fahrwerkträgers. Im Bereich des Bruchursprungs war kein Korrosionsschutz mehr vorhanden. An einigen Stellen im Innern des Fahrwerkträgers hatte der Farbanstrich Blasen gebildet. Das Öffnen einiger Blasen zeigte, dass sich an diesen Stellen die Farbe von der Kadmiumschicht gelöst hatte.


Nach der Fertigungsspezifikation war der Korrosionsschutz in mehreren Schichten aufgebaut, siehe das Kapitel Zusätzliche Informationen. Messungen der Schichtdicke der Farbschichten am Rand des Bereiches des fehlenden Korrosionsschutzes, um den Bruchursprung herum, ergaben, dass alle drei Schichten dünner als gefordert oder an einigen Stellen nicht vorhanden waren. Dieses bestätigte sich auch an Messstellen im vorderen Teil des Fahrwerkträgers. Bei den Messungen wurde auch festgestellt, dass die Schichtdicken in der 6-Uhr-Position geringer als in der 12-Uhr- Position waren. Der Bereich um den Bruch, also um die Bohrung für den Gelenkbolzen herum, wies die stärksten Degradierungen der Korrosionsschutzschicht auf.


Bei Adhäsionstests der Farbe im Inneren des Fahrwerkträgers, im Bereich des Bruches bzw. der Bohrung für den Gelenkbolzen, löste sich die Farbe leicht ab. Alle anderen Bereiche erbrachten ein gutes Ergebnis.


Die Analysen der Proben von den Rückständen aus dem Innern des Fahrwerkträgers ergaben, dass es sich bei dem verwendeten Schmiermittel um den Typ Nyco 22 handelte. Das Schmiermittel stellte den größten Anteil der Rückstände dar. Des Weiteren wurden Spuren von Skydrol (Hydraulikflüssigkeit) gefunden, die sich auf die gerissenen Bremsschläuche, aus denen diese Flüssigkeit austrat, zurückführen ließen. Weiter enthielten die Rückstände Sand. Der Wasseranteil der Rückstände lag bei unter einem Prozent. Der im Schmiermittel festgestellte Säuregehalt war typisch.


Brand


Es entstand kein Brand.


Versuche und Forschungsergebnisse


Nachdem der Bruchmechanismus und die Korrosion als dessen Auslöser bestimmt waren, wurde der Korrosionsschutzaufbau näher untersucht. Dazu wurden drei verschiedene Testverfahren durchgeführt, in denen korrodierbare Probenstücke aus Stahl verwendet wurden. Im ersten Test wurden lackierte, ofengetrocknete Probestücke zwei Wochen in destilliertes Wasser oder in Kontaminaten-Lösungen bei einer Umgebungstemperatur von 70 °C halbgetaucht. Dieser Test ist ein Standardtest, der von Lackherstellern angewendet wird, um die Produktqualität ihrer Lacke nachzuweisen.


Beim zweiten Test, dem Druck-Kocher-Test, wurden Probestücke destilliertem Wasser ausgesetzt, in 25 Zyklen von jeweils einer Stunde Dauer bei einer Temperatur von 117 °C. Dieser Versuch stellt einen Zeitraffer für den Einfluss von Feuchtigkeit auf den Alterungsprozess des Lackes dar. Im dritten, dem Salz-Sprüh-Test, sollte herausgefunden werden, ob gealterte Lacke einen Korrosionsbefall des Grundmaterials begünstigen.


Die Tests wurden sowohl mit Proben mit 3-Schicht-Lackaufbau (wash primer, primer and top coat), wie er am gebrochenen Fahrwerkträger verwendet wurde, als auch mit 2-Schicht-Lackaufbau (primer and top coat), wie er in der derzeitigen Serie Anwendung findet, durchgeführt.


Feuchtigkeit, Glykol und Formiat auf Lack


Die Versuche zur Alterung der Lackschichten führten zu folgenden Ergebnissen: Der langanhaltende Kontakt der Bauteile mit Feuchtigkeit kann mit der Bläschenbildung im Lackaufbau in Verbindung gebracht werden. Eine raue Kadmiumbeschichtung führte lokal zu dünneren Lackschichten. Verunreinigungen auf der Kadmiumschicht vor dem Lackiervorgang ergaben eine vermehrte Bläschenbildung beim Lack.


Das Vorhandensein von Schmierstoffen verursachte keine Schwächung der Lackschicht. Aber in Schmiermittel eingeschlossene Feuchtigkeit führte zu Verfärbungen und Bildung von kleinen Bläschen im Lackaufbau. Der Kontakt mit Enteisungsflüssigkeiten, die auf Glykol basieren, verursachte starke Bläschenbildung im Lackaufbau.


Der Kontakt mit Enteisungsflüssigkeiten, denen Formiat zugrunde liegt, führte nur zur Verfärbung der Lackoberfläche. Das Reinigungsmittel Aeroclean CD1, welches bei dem betroffenen Flugzeug verwendet wurde, griff die Lackierung chemisch an. Bei der Untersuchung der im Fahrwerkträger sichergestellten Schmiermittel und Verunreinigungsrückstände wurden weder Glykol basierte Enteisungsflüssigkeiten noch Reinigungsmittel nachgewiesen.


Zusätzliche Informationen


Der Typ des gebrochenen Fahrwerks bzw. dessen Träger wurde sowohl beim Luftfahrzeugmuster Airbus A330 als auch beim Muster A340 verbaut.


Aufbau des Korrosionsschutzes


Der gebrochene Fahrwerkträger hatte einen 3-Schicht-Lackaufbau für den Korrosionsschutz. Zunächst wurde auf das Grundmaterial, den hochfesten Stahl, in einem galvanischen Bad eine Kadmiumschicht aufgetragen. Gemäß der technischen Zeichnung sollte sie eine Dicke von 10 bis 20 μm haben. Auf die Kadmiumschicht wurde ein Dreifach-Farbschema aufgetragen. Der Lackaufbau bestand aus einer Vorgrundierung mit einer Dicke laut Zeichnung von neun bis 12 μm.


Dann folgte gemäß der technischen Zeichnung eine Grundierung, die in zwei Schichten aufgetragen wurde, mit einer Dicke von 30 bis 40 μm. Den Abschluss bildete ein Decklack mit einer geforderten Dicke von 40 bis 50 μm. Im Innern des Fahrwerkträgers wurde zusätzlich noch ein Korrosionsschutzmittel, Ardrox 3149, aufgetragen. In der laufenden Produktion war diese Art des Lackaufbaus bereits vor dem Zeitpunkt des Ereignisses zugunsten eines Zweifach-Farbschemas geändert worden.


Dabei wurde auf die Vorgrundierung verzichtet und die Grundierung direkt auf die Kadmiumschicht aufgetragen, gefolgt von der Decklackschicht. Die Grundierung wurde in zwei Schichten aufgetragen und hatte gemäß der technischen Zeichnung eine geforderte Dicke von 40 bis 50 μm. Der anschließende Decklack hatte eine geforderte Dicke von 40 bis 50 μm. Zusätzlich wurde in der Innenseite des Fahrwerkträgers Ardrox AV100D Wachsöl als Korrosionsschutz aufgetragen.


Erste Maßnahmen für Flugzeuge im Einsatz


Da sich bei der ersten Betrachtung der Schadensstelle Bereiche im Inneren des Fahrwerkträgers zeigten, an denen sich der Lack abgelöst und sich Korrosion ausgebildet hatte, wurde ein Kontrollprogramm für die im Einsatz befindlichen Fahrwerk festgelegt. Dabei wurden die Fahrwerke, die den gleichen 3-Schicht- Lackaufbau wie bei dem Schadensteil hatten, entsprechend ihrer Einsatzzeiten an den Flugzeugen der Airbus-A-330/340-Flotte des Betreibers überprüft.


Das Hauptaugenmerk galt dabei dem Zustand des Korrosionsschutzes im Inneren des Fahrwerkträgers. Je nach Befall des Schutzanstriches bzw. des Materials wurden eine Reparatur der Bereiche oder Austauschmaßnahmen festgelegt. Als Sofortmaßnahme wurden im Produktionsprozess beim Aufbau des Korrosionsschutzes (Kadmierung und Lackierung) die jeweiligen Schichtdicken gemessen.


Beurteilung


Der Bruch des Fahrwerkträgers war, wie die Untersuchung gezeigt hatte, auf eine interkristalline Spannungsrisskorrosion zurückzuführen. Der Ausgangspunkt für den Anriss war eine Lochkorrosion. Die Korrosion entstand am Bodeninneren im Bereich der Bohrung für den Gelenkbolzen in der Mitte des Trägers. In diesem Areal fanden sich einige Stellen, an denen der Korrosionsschutz nicht mehr gegeben und der korrodierte Stahl sichtbar war. Nach dem Anriss entwickelte sich der Bruch weiter und bildete Rastlinien aus, bis der kritische Querschnitt erreicht war, und der Restbruch als duktiler Gewaltbruch erfolgte. Zum Bruch des Fahrwerks beim Durchrollen einer Kurve hat dann letztendlich die hohe Belastung beigetragen, die bei einem solchen Manöver auf ein Fahrwerk in Doppel-Tandem-Anordnung wirkt.


Nachdem der Bruchausgang und seine Ursache geklärt waren, richtete sich die weitere Untersuchung auf die Degradierung des Korrosionsschutzes bis hin zu seiner Ablösung. Die Untersuchung von weiteren im Betrieb befindlichen Fahrwerksträgern zeigte, dass es sich dabei nicht um einen Einzelfall handelte.


Bei dem gebrochenen Fahrwerkträger war hauptsächlich der Innenboden im Bereich vor und hinter der Bohrung für den Gelenkbolzen betroffen. Dort hatten sich auch Bläschen im Lack gebildet. Ihre Innenseiten zeigten ein Abbild der Kadmiumschicht, von der sie sich gelöst hatten. In einigen Bläschen fanden sich Kadmiumreste, aber nicht in allen. Die Topografie der Kadmiumreste spiegelte nicht immer die Topografie der Stahloberfläche wider. Daher ist davon auszugehen, dass nach dem Kadmieren der ganze Innendurchmesser mit Kadmium überzogen war. Teile des Kadmiums haben sich dann mit großer Wahrscheinlichkeit opferkorrosiv aufgelöst.


Bei der Untersuchung wurden auch die Schichtdicken des Korrosionsaufbaus gemessen. Die Messungen erfolgten an verschiedenen Stellen im Inneren des Fahrwerkträgers. Dabei wurde festgestellt, dass die Schichten an Messpunkten am Trägerboden (6-Uhr-Position) in der Nähe der Bolzenbohrung und an den Rändern von korrodierten Bereichen, die Sollwerte unterschritten. An Messpunkten 400 mm hinter der Bruchstelle wurden die Sollwerte erreicht. Von den Ergebnissen der auf dem Innendurchmesser des Trägers verteilten Messpunkte ließ sich ableiten, dass im Produktionsprozess die Sollwerte nicht immer erreicht worden waren. Im weiteren Verlauf der Untersuchungen und der Tests zeigte sich, dass an Stellen, an denen die erste Lackschicht (Wash Primer) fehlte, der Korrosionsschutz nicht in vollem Umfang gegeben war.


Die Untersuchungen der einzelnen Rückstände, die im Innern des Fahrwerkträgers entnommen worden waren, und die Tests mit den Enteisungs- und Reinigungsflüssigkeiten zeigten für sich genommen unterschiedliche Auswirkungen auf den Korrosionsschutz.


Abschließend ist zu sagen, dass die Degradierung der Korrosionsschutzschicht ein Zusammenspiel war, aus den Einwirkungen der Umwelteinflüsse und für den Betrieb des Flugzeugs notwendigen eingesetzten Medien, und dem in einzelnen Arealen nicht vollständigen Lackaufbau. Dadurch konnte in einigen Bereichen die Lackschicht abgebaut und durchdrungen werden. Auf diese Weise wurde die Kadmiumschicht freigelegt und konnte opferkorrosiv angegriffen sowie teilweise aufgelöst werden. In der Folge war der Stahl an einigen Stellen ungeschützt gegen Korrosion, das führte zu Lochkorrosion, Spannungrisskorrosion. Dadurch konnte es zu dem vorliegenden Bruchverlauf kommen.


Schlussfolgerungen


Der Ausgangspunkt für den Bruch war eine Lochkorrosion. Von dort breitete sich der Anriss interkristallin aus, bis der duktile Gewaltbruch eintrat. Der Rissausgang und die Rissausbreitung erfolgten durch Spannungsrisskorrosion. Ursächlich für die Korrosion im Bruchbereich war der lokale Verlust der Korrosionsschutzschicht hervorgerufen durch die Schwächung und das Ablösen der Farbe und den opferkorrosiven Abbau der Kadmiumbeschichtung.


Sicherheitsempfehlungen


Auf die Herausgabe von Sicherheitsempfehlungen durch die BFU wurde verzichtet, da der Fahrwerkshersteller bereits nach Beginn der Untersuchungen ein entsprechendes Kontrollprogramm (one time inspection program of in-service bogie beams) aufgelegt hat. Die durchzuführenden Kontrollen wurden vom Fahrwerkhersteller in den Service Bulletins (SB) A33/34-32-271 und SB A33/34-32-272 beschrieben. Der Flugzeughersteller nahm diese für seine SB A330-32-3212 (für das Muster A330) und SB A340-32-4268 als Bezug.


Die SBs stellten dann die Grundlage für die Lufttüchtigkeitsanweisung (Airworthiness Directive), AD No.: 2007-0314 der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) dar und wurden somit für die Flotten des A330 und A340 verbindlich.


Weitere AD der EASA wurden herausgegeben, um die Anwendbarkeit der entsprechenden Kontrollen (one-time inspection) auf andere A330 und A340 Flugzeugderivate auszudehnen und um wiederkehrende Inspektionen, eine grundlegende Änderung einzuführen, um die Lackierverfahren zu verbessern, die 2-Schicht-Lackierung und die Verwendung von Wachsöl als Korrosionsschutz am Fahrwerksträger einzuführen. Die Anforderungen dieser ADs werden nun definiert in oder ersetzt durch EASA AD No: 2013-0267R.A.


Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, in Ortszeit. Quelle und Bilder, wenn nicht anders angegeben: BFU. 


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