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Fume Event vor Hamburg: A321-Pilot meldet Benommenheit

 

25. Jun 2018 - 18:12 Uhr


Flugsicherheit

Fume Event vor Hamburg: A321-Pilot meldet Benommenheit

Ein Airbus A321 startete um 07:43 Uhr von dem Flughafen Frankfurt Main zu einem Flug nach Hamburg. Der Kapitän war der steuernde Pilot (PF), während der Co-Pilot die Funktion des überwachenden Piloten (PM) hatte. Im Steigflug meldete die Leitende Flugbegleiterin dem Kapitän, dass es an den Türen unangenehm riechen würde.

Diese und die folgenden Angaben zum Flugverlauf basieren auf der Auswertung der Daten des CVR, FDR und den Aussagen der Besatzung. Bei einer nachträglich durchgeführten Befragung wurde angegeben, dass es in der gesamten Kabine gerochen hätte.

Identifikation

  • Art des Ereignisses: Störung
  • Datum: 02. Januar 2015
  • Ort: nahe Hamburg
  • Luftfahrzeug: Flugzeug
  • Hersteller / Muster: Airbus / A321
  • Personenschaden: ohne Verletzte
  • Sachschaden: Luftfahrzeug nicht beschädigt
  • Drittschaden: keiner

Ereignisse und weiterer Flugverlauf

Der Geruch wurde als "scharfer Geruch", wie "verbrannter Staub" beschrieben. Es würde aber nicht "nach Käsefüßen" riechen. Der Kapitän begründete die Entstehung des Geruches mit der langen Standzeit des Flugzeuges und der "erhöhte[n] Luftfeuchtigkeit". Laut Datenaufzeichnung des CVR sagte der Kapitän, dass das Flugzeug zu diesem Zeitpunkt in die Wolken einfliegen würde. Der Kapitän erwähnte nun ebenfalls, dass er den Geruch auch wahrgenommen habe und beschrieb ihn mit "Öl" und "TCP".

Die Abkürzung TCP bezeichnet Tri-Cresyl-Phosphat. Im Datenblatt des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (GESTIS-Stoffdatenbank) ist ToCP als geruchlose Flüssigkeit beschrieben. Im weiteren Flugverlauf wurden keine Meldungen über Gerüche auf dem Cockpit-Voice-Recorder (CVR) aufgezeichnet.

Beim Anflug auf den Flughafen Hamburg um 08:23:50 Uhr sagte der Kapitän: "Jetzt riecht‘s wieder". Er brachte dies in Zusammenhang mit dem gerade erfolgten Einflug in die Wolken. Der Co-Pilot beschrieb den Geruch "mehr wie so Käsefüße", während der Kapitän den Begriff "Oil Smell" verwendete. Durch den Kapitän wurde nun "das einser Bleed" (Zapfluftsystem, Bleed-Air-System) ausgeschaltet und das "crossbleed ON" (die Konfiguration des ECS wurde auf dem FDR aufgezeichnet, siehe Abschnitt Flugdatenaufzeichnung) geschaltet. Ungefähr 30 Sekunden nach dem Auftreten des Geruches begannen beide Piloten über dessen Intensivierung zu klagen. Sie äußerten dies mit drastischen Worten.

Piloten greifen nach Sauerstoff

Der Geruch wurde jetzt als "beißend" beschrieben. Da keine Verringerung der Geruchsintensität eintrat, wurde um 08:24:50 Uhr das Bleed-System so umgeschaltet, dass die Versorgung des Kabinenluftsystems nur aus dem Triebwerk #1 erfolgte. Auch durch diese Konfiguration ergab sich keine Minderung des Geruches. Daraufhin schlug der Co-Pilot um 08:25:16 Uhr vor, die Sauerstoffmasken aufzusetzen. Dies wurde durch den Kapitän bestätigt, so dass zwei Sekunden später beide Piloten die Sauerstoffmasken aufsetzten.

Danach sind auf dem CVR mehrfach tiefe Atemgeräusche zu hören. Es folgten eine kurze Verständigung beider Piloten über die Qualität der Kommunikation unter Sauerstoffmaske und dann Anweisungen des Kapitäns zur Konfiguration des Flugzeuges zur Landung. Anschließend informierte der Co-Pilot die Flugverkehrskontrollstelle darüber, dass ein Geruch aufgetreten sei, die Piloten die Sauerstoffmasken aufgesetzt hätten und dadurch ein ungewöhnlicher "Sound" auftreten würde. Außerdem gab er an, dass sie keine weitere Unterstützung benötigen würden und es ein normaler Anflug sei. Im Weiteren erfolgten die Abarbeitung der Verfahren zur Landung und die Kommunikation mit der Flugverkehrskontrollstelle.

Um 08:28:40 Uhr fragte der Co-Pilot den Kapitän nach dessen Befinden. Der Kapitän antwortete: "Also mir geht’s sehr, sehr gut, hab keine Problem im Moment". Weiterhin sagte er, dass vor dem Aufsetzen der Masken der Geruch beißend gewesen sei und er ein kurzes Gefühl der Benommenheit verspürt habe. Daraufhin erwiderte der Co- Pilot, dass er ein Kribbeln empfunden habe. Beim Übermitteln der Anzahl der Insassen an Bord an die Flugverkehrskontrollstelle kam es zu einem Additionsfehler des Kapitäns, den er aber sofort bemerkte und korrigierte.

Im Landeanflug, bei Erreichen der Flughöhe von 1.000 ft AGL, wurden durch den Flight-Data-Recorder u.a. folgende Parameter des Flugzeuges aufgezeichnet:

  • Abweichung LOC 8 (LOC: Landekurssender – localizer) : 0,00039 ddm / Difference in the depth of modulation (entspricht 0,00 DOT / Anzeige im Flugzeug)
  • Abweichung G/S (Gleitwegsender / glideslope): -0,00391 ddm (entspricht -0,01 DOT)
  • Sinkrate: 720 ft/min
  • Fluggeschwindigkeit: 151 CAS (Computed-Airspeed)

Das Fahrwerk war ausgefahren und der Landeklappenbedienhebel befand sich in der Position FULL. Die Funktion AUTOTHRUST war im Speed-Mach-Mode und wurde in dieser Flughöhe deaktiviert. Im Anflug wurden die Kontrollen entsprechend der Landing-Check-List abgearbeitet und die Windverhältnisse besprochen. Die Landung erfolgte um 08:31 Uhr auf der Piste 23. Den Datenaufzeichnungen des FDR war zu entnehmen, dass das Aufsetzen mit einer Geschwindigkeit von 131 CAS erfolgte. Hierbei wurden maximal folgende Beschleunigungen erreicht: ny: 0,07/-0,12 g, nz: 1,29 g.

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Bei der Wiedergabe der APRON-Frequenz (Bewegungslenkung auf dem Vorfeld durch den Flughafenunternehmer) verwechselte der Co-Pilot eine Ziffer der Frequenz. Die Flugverkehrskontrollstelle machte den Co-Piloten darauf aufmerksam, woraufhin dieser die Frequenz richtig wiederholte. Das Flugzeug wurde von der Feuerwehr bis zum Halt am Gate 15 begleitet. Kurz vor Erreichen des Gates wurde das Hilfstriebwerk (Auxiliary Power Unit, APU) angelassen. Den Aufzeichnungen des CVR war zu vernehmen, wie die Cockpitbesatzung über ihr Aussehen mit aufgesetzten Sauerstoffmasken beim Eintreffen am Gate scherzte. Sie setzten die Masken nach dem Abstellen der Triebwerke ab.

Nach der Landung kam es zwischen den Piloten zu einem intensiven Austausch über die vorherrschenden Windbedingungen und die daher notwendige, anspruchsvolle Steuertechnik. Der Kapitän äußerte sich beeindruckt, wie die wechselnden Windbedingungen ihn zu schnellen Steuerreaktionen gezwungen hatten. Gegenüber der Feuerwehr erwähnte der Kapitän, dass die Masken vorsorglich aufgesetzt wurden. Die Piloten gaben an, dass sie keine Checkliste zur Identifikation der Geruchsquelle angewandt hatten, da sie sich auf die Landung hätten konzentrieren wollen. Es gab keine Information darüber, dass Passagiere den Geruch bemerkten.

Angaben zu Personen

Verantwortlicher Luftfahrzeugführer

  • Alter: 44
  • Geschlecht: männlich
  • Lizenz: ATPL (A)
    • letztmalige Ausstellung: 20.06.2014
    • Berechtigungen: A320
  • PIC/IR (beide gültig bis zum 30.04.2015)
  • medizinisches Tauglichkeitszeugnis: Klasse 1 (gültig bis zum 05.07.2014)
    • Einschränkungen oder Auflagen: RXO – Specialist ophthalmological examinations (Spezielle augenärztliche Untersuchung erforderlich), TML – Restriction of the period of validity of the medical certificate (Einschränkung der Gültigkeitsdauer des Tauglichkeitszeugnisses)
  • Gesamtflugerfahrung: 12.330 Stunden

Co-Pilot

  • Alter: 32
  • Geschlecht: männlich
  • Lizenz: ATPL (A)
    • letztmalige Ausstellung: 15.11.2011
    • gültig bis: 15.11.2016
    • Berechtigungen: A318/319/320/321
  • COP/IR (beide gültig bis 31.12.2015
  • medizinisches Tauglichkeitszeugnis: Klasse 1 (gültig bis zum 20.04.2015)
    • Einschränkungen oder Auflagen: keine

Angaben zum Luftfahrzeug

  • Hersteller: Airbus
  • Muster: A321-131
  • Werknummer 0518
  • Baujahr: 1995
  • Max. zul. Abflugmasse (MTOM): 83.000 kg
  • Eintragungsstaat: Deutschland
  • Gesamtflugzeit: 47.481 Stunden
  • Flüge: 37.055

Triebwerk

  • Hersteller: International Aero Engines AG (IAE)
  • Muster: V2530-A5
  • Seriennummer: Links: V10139 / Rechts: V10071

Das Flugzeugmuster Airbus A321 ist ein zweimotoriger Tiefdecker. Das Flugzeug war in Deutschland zum Verkehr zugelassen. Die Bescheinigung über die Prüfung der Lufttüchtigkeit war bis zum 17.09.2015 gültig. Als letztes Wartungsereignis vor dem Flug am 02.01.2015 wurde am 29.12.2014 in den Instandhaltungsaufzeichnungen (TechLog) die Arbeiten entsprechend R MODULE (Ramp Inspection) dokumentiert (Jobcard A1014320, Issued SEP14). Von dem Luftfahrtunternehmen wurden die in der Abb. 9 und 10 aufgeführten Schmierstoffverbräuche übermittelt. Es wurde ebenfalls mitgeteilt, dass in den Instandhaltungsaufzeichnungen dieses Flugzeuges vor dem 02.01.2015 letztmalig am 15.09.2014 ein Geruchsereignis eingetragen worden war (Eintrag TechLog T7535519). Das Flugzeug wurde letztmalig am 29.12.2014 enteist. Danach hatte es 4 Flüge absolviert.

Kabinenluftsystem

Das Kabinenluftsystem (Environmental-Control-System, ECS) wird im Normalbetrieb durch Zapfluft aus den beiden Triebwerken versorgt. Alternativ kann die Versorgung durch Druckluft aus der APU oder durch eine Bodenversorgungsanlage erfolgen. Die Luft aus den Triebwerken gelangt über zwei Klimaanlagen (Pack), in denen der Luftdruck und die Lufttemperatur reduziert werden, in die Mischeinheit (Mixer Unit). In der Mischeinheit wird diese Luft mit jener aus der Kabine (Recirculating-Air) gemischt.

Abhängig von der gewünschten Temperatur wird diesem Luftgemisch heiße Luft zugeführt, bevor sie endgültig in das Cockpit bzw. die vordere und hintere Zone der Passagierkabine eingeleitet wird. Die Luft für das Cockpit setzt sich aus der Luft des Pack #1 und der Recirculating-Air (aus dem linken Kabinenbereich) zusammen. Das Titelbild zeigt das Environmental-Control-System – prinzipielle Darstellung. Abb. 2 zeigt ein vereinfachtes Schema der Mixer Unit. Recirc RH bzw. Recirc LH beschreibt die Quelle der Recirculating-Air (rechte bzw. linke Flugzeugrumpfseite). Die Regelung des Luftdrucks im Flugzeug erfolgt durch Steuerung der Luftmenge, die aus der Kabine abgelassen wird.

Meteorologische Informationen

Laut Routinewettermeldung (METAR) vom Flughafen Hamburg, Ausgabezeit 07:50 Uhr, herrschten folgende Wetterbedingungen:

  • Wind: 240°, 19 kt, in Böen 29 kt
  • Sicht: 6.000 m,
  • besondere Wettererscheinungen: Regen, Sprühregen
  • Bewölkung: 1-2 Achtel in 300 ft, 5-7 Achtel in 700 ft
  • Temperatur: 7 °C
  • Taupunkt: 6 °C
  • Luftdruck: 1.011 hPa
  • zeitweilige Änderung: Wind 240°, 20 kt, in Böen 35 kt
  • Sicht 4.000 m

Durch die Flugverkehrskontrollstelle wurde der Bodenwind aus Richtung 250° mit 21 kt, in Böen 32 kt, an die Besatzung übermittelt.

Navigationshilfen

Für den Anflug auf die Piste 23 nach Instrumentenflugregeln (IFR) stand als Präzisionsanflugverfahren ein Instrumentenlandesystem (ILS) zur Verfügung.

Funkverkehr

Der Funkverkehr mit der zuständigen Flugverkehrskontrollstelle erfolgte in englischer Sprache.

Angaben zum Flugplatz

Der Flughafen Hamburg (EDDH) ist ein internationaler Verkehrsflughafen. Er verfügt über zwei Pisten mit den Bezeichnungen 05/23 bzw. 15/33.

Flugdatenaufzeichnung

In diesem Flugzeug waren ein Flight-Data-Recorder (FDR), Typ F 1000 der Firma Fairchild und ein Cockpit-Voice-Recorder (CVR), Typ FA 2100 der Firma L-3 Communications Corporation eingebaut. Die auf den Rekordern gespeicherten Daten wurden durch die BFU ausgewertet und diesem Bericht zugrunde gelegt. Die relativen Zeitangaben der CVR-Dateien wurden mit der auf dem FDR aufgezeichneten Zeit des Luftfahrzeugs synchronisiert. Synchronisationspunkt war die erstmalige Aufzeichnung des Parameters Manual-Radio-Transmission-Key (Sprechfunktaste) nach der Landung.

Bei den vier vorangegangenen Landungen des Flugzeugs wurden auf dem FDR folgende Maximalwerte für die Beschleunigung in den drei Flugzeugachsen (nx,y,z) aufgezeichnet (Aufsetzzeitpunkt +/- 2 s):

nx : -0,16 g, ny : -0,07 / 0,09 g, nz : 1,39 g

Die Stellungen des Bleed-Valves und des Cross-Bleed-Valves wurden den FDR-Parametern ENG_PRV-L, ENG_PRV-R und ENG_BLEED_XFEED VLV entnommen. Die Stellungen der Ventile änderten sich bis zur Landung nicht mehr. Abb. 3 zeigt eine Darstellung der FDR Parameter ENG_PRV-L, ENG_PRV-R und ENG_BLEED_XFEED VLV.

Feststellungen am Luftfahrzeug

Nach dem Auftreten des Geruches wurde durch den Instandhaltungsbetrieb des Luftfahrtunternehmens ein Arbeitsauftrag (Action Order) verfasst. Diese umfasste unter anderem die Kontrolle beider Triebwerke auf Undichtigkeiten, den Austausch von Filtern sowie die Kontrolle des Einlaufs der APU auf Verschmutzungen. Den Instandhaltungsaufzeichnungen (Techlog) war zu entnehmen, dass keine Undichtigkeiten und keine Verschmutzungen gefunden wurden.

Zur Bestimmung der Luftqualität wurde das Messgerät Aerotracer bei einem Triebwerksbodenlauf (High-Power-Run-Up) verwendet. Dies erfolgte vor dem Austausch der Filter. Dabei wurden neun unterschiedliche Kombinationen (Triebwerksleistung, ECS-Schaltungen und Luftquellen) getestet. Bei der Messung erschienen die Anzeigen:

Substanz: "GLYCOL OLD" Konzentration: "?"

Es wurden keine Anzeigen "ENGINE OIL" generiert. Die Rohdaten der Luftqualitätsmessungen wurden dem Hersteller des Messgerätes von der BFU zur weiteren Analyse übermittelt. Dies erfolgte mit dem Ziel, aus den Daten weitere Informationen über mögliche gemessene Substanzen, die regulär nicht dargestellt werden, zu gewinnen.

Dabei wurden die Ergebnisse der Messung vom 03.01.2015 bestätigt. Zusätzlich konnte den Daten entnommen werden, dass fünfmal Aceton (max. 0,527 ppm / parts per million, also Teile von einer Million) und einmal Ammoniak (max. 1,106 ppm) detektiert wurden. Entsprechend den Aufzeichnungen des Operational-Flight-Plan betrug die Landemasse des Flugzeugs 59.900 kg.

Medizinische und pathologische Angaben

Zur Einschätzung ihrer körperlichen Beeinträchtigungen und deren Intensität hatte die BFU Fragebögen an die Piloten und die vier Flugbegleiter versendet. Diese wurden von den beiden Piloten und drei Flugbegleitern wie folgt beantwortet:

Beschreibung der Symptome entsprechend dem Fragebogen der BFU Personen die diese Symptome angaben
1) Reizung (z.B. der Augen, der Nase, des Rachens/Halses) jedoch keine Beeinträchtigung Kapitän, eine Flugbegleiterin
2) Unwohlsein (z.B. Kopfschmerzen, Übelkeit) jedoch keine Beeinträchtigung Kapitän, drei Flugbegleiterinnen
3) in der Lage Aufgaben zu erfüllen mit geringfügigen Schwierigkeiten, aber mit reduzierter Leistungsfähigkeit Co-Pilot, eine Flugbegleiterin
4) in der Lage Aufgaben zu erfüllen, aber mit einigen Schwierigkeiten und/oder kleineren Fehlern Kapitän
5) in der Lage Aufgaben zu erfüllen, aber mit großen Schwierigkeiten
6) nicht in der Lage Aufgaben zu erfüllen eine Flugbegleiterin, welche außerdem die Stufe 2 angegeben hatte

In einem Bericht am nächsten Tag führte der Kapitän folgende Symptome auf: Kribbeln in den Fingern, Benommenheit, Kratzen im Hals und Unwohlsein. In einem weiteren Bericht zwei Wochen nach dem Ereignis zählte er zusätzlich folgende Symptome auf: Hitzewallung, leichter Schwindel und deutliches Kribbeln in den Fingern bis zu den Handwurzeln. Bei einer Befragung bei der BFU drei Wochen nach dem Ereignis gab der Kapitän an, dass er das Kribbeln in den Fingern auch nach dem Flug verspürt hätte.

Der Co-Pilot sagte aus, dass alle Symptome nach dem Aufsetzen der Sauerstoffmasken verschwunden wären und er sich fit und voll leistungsfähig fühlte. Außerdem teilte der Kapitän mit, dass er die auf dem CVR zu hörende Aussage gegenüber der Feuerwehr, dass die Masken vorsorglich aufgesetzt wurden, gemacht habe, um die Feuerwehr zu beruhigen.

Die auf dem CVR ebenfalls zu hörende Aussage, dass es ihm gesundheitlich wieder sehr gut gehen würde, habe er gemacht, um dem Co-Piloten Vertrauen zu geben. Sowohl der Kapitän als auch der Co-Pilot sagten aus, dass sie während des Fluges vor dem Auftreten des Geruches fit gewesen wären und keine Einschränkungen gehabt hätten. Am Vortag hätten sie lange geschlafen und sie fühlten sich ausgeruht. Den letzten Flug vor dem Ereignis lag beim Kapitän fünf Tage und beim Co-Pilot zwei Tage zurück. Die in der Flugphase unter den Sauerstoffmasken aufgetreten Fehler (falsche Addition der Insassen an Bord und falsches Zurücklesen einer Frequenz) wurden von beiden Piloten als "normal" angesehen, die auch bei anderen Flügen hätten auftreten können.

Am 02.01.2015 wurden beiden Piloten Blutproben entnommen. Die Ergebnisse der Analyse dieser Proben wurden der BFU zur Verfügung gestellt (Anlage 5). Nach Angaben des Labors zeigte das Blutbild keine Auffälligkeiten. Von einem Besatzungsmitglied stand das Ergebnis einer ebenfalls am Ereignistag abgegebene Urinprobe zur Verfügung. Bei der Auswertung wurde Di-Phenylphosphat in einer Konzentration von 1,34 μg/l (Referenzwert: 5 μg/l) gefunden.

In einem Bericht des Kabinenpersonals ist aufgeführt, dass Flugbegleiterinnen den Geruch im Landeanflug ebenfalls wahrgenommen hätten. Er wurde als "starken Geruch", "nach alten Socken" beschrieben. Der Bericht enthielt keinen Hinweis auf eine Handlungsunfähigkeit eines Mitgliedes der Kabinenbesatzung. Es gab keine Hinweise über gesundheitliche Beeinträchtigungen bei den Passagieren.

Brand

Es gab keinen Hinweis auf ein Feuer.

Organisationen und deren Verfahren

Im Operations-Manual-Part-A (OM-A) des Luftfahrtunternehmens sind die Kriterien für einen stabilisierten ILS-Anflug festgelegt:

  • LATEST AT 1000 ft:
  • LOC & G/S: +/-1 DOT
  • Rate of Descent max 1.000 fpm (may be exceeded brief in gusty conditions)
  • Airspeed -5/+10 from Target Speed (----------------------------"---------------------------)
  • Landing Configuration
  • Adequate Power

Im Operations-Manual-Part-B/QRH des Luftfahrtunternehmens ist eine Checkliste "SMOKE/FUMES/AVNCS SMOKE" enthalten (Abb. 12).

Zusätzliche Informationen

Luftqualitätsmessgerät

Nach Angaben des Herstellers des Luftqualitätsmessgerätes Aerotracer kann das Gerät flüchtige Substanzen, der im Flugzeug gebräuchlichen Materialen, wie Klebstoffe, Hydraulikflüssigkeiten oder Schmieröle, detektieren und identifizieren. Es wurde für die Störungssuche nach Geruchsereignissen entwickelt. Nach Angaben des Herstellers des Luftqualitätsmessgerätes wird die Anzeige "GLYCOL OLD" beim Auftreten von Ethylenglycol aktiviert, welches Hauptbestandteil von Enteisungsflüssigkeiten ist.

Beurteilung des toxischen Wirkmechanismus

Die BFU hat das Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Göttingen (ASUM-UMG) beauftragt, den Verlauf des Fluges und die durch die Piloten beschriebenen Beeinträchtigungen zu beurteilen. In Zusammenhang mit Geruchsereignissen war das Institut in den letzten Jahren eine Anlaufstelle für betroffene Flugzeug-Besatzungsmitglieder im Rahmen arbeitsmedizinischer Begutachtungen geworden. Die Besatzungsmitglieder dieses Fluges hatten an dem dort etablierten Humanbiomonitoring nicht teilgenommen.

Basierend auf den Angaben der BFU zu diesem und zu einem zweiten, ähnlichen Ereignis sowie eigener Erkenntnisse und Erfahrungen haben die Sachverständigen des ASUM-UMG eine Analyse und Bewertung der Handlung der Flugbesatzung in Hinblick auf deren Beeinträchtigungen vorgenommen. Das Ergebnis wurde mit einer Beschreibung des toxischen Wirkmechanismus in der toxikologischen Stellungnahme dargestellt:

Die in den Gesprächsmitschnitten beschriebenen Symptome sind konsistent mit den bei anderen Kabinenluftzwischenfällen erfassten Symptomatiken [Abou-Donia et al., 2013; Heutelbeck et al., 2016]. Sie lassen sich u.a. durch das Auftreten von leichtflüchtigen organischen Verbindungen (engl. volatile organic compounds (VOC)) in der Cockpit- / Kabinenluft erklären.

VOC umfassen sieben Klassen von Stoffen: Alkane, Aromaten, Terpene, Chlorkohlenwasserstoffe, Ester, Aldehyde und Ketone, und Andere [Seifert, 1999]. Viele dieser Stoffe sind Bestandteile von in der Luftfahrt eingesetzten Schmier- oder

Hydraulikölen (vor und nach Pyrolyse), des Kerosins und von Enteisungsmitteln [Ritchie, 2003; Mair et al., 2015, Rosenberger et aI., 2016]. [...] Die geschilderte Symptomatik ist konsistent mit dem Einwirken von VOC, wobei hier aufgrund der geschilderten Bewusstseinstrübung und der Anzeichen für die "verwaschene Sprache" eines Piloten die neurotoxische Wirkung der VOC im Vordergrund stehen.

Typisch für VOC ist das beobachtete Auftreten schneller Wirkungen z.B. auf das Zentrale Nervensystem unter Exposition und ihr rasches Verschwinden nach einem baldigen Ende / Unterbrechung der Exposition. Eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit unter Exposition ist sicher vorhanden.

Anmerkung: Der Kapitän beschrieb seine Beeinträchtigung als "Benommenheit". Bewusstseinstrübung: "Zustand verminderter Wachheit und eingeschränkter Wahrnehmung. Klinische Zeichen: Der Patient kann seine Augen spontan oder auf Schmerzreize öffnen und/oder Aufforderungen befolgen. Verbale Äußerungen sind möglich. Der Patient ist nicht orientiert zu Person, Ort oder Zeit." Aus: Neurochirurgie, Handbuch für die Weiterbildung und interdisziplinäres Nachschlagewerk; Hrsg. Moskopp, Wassmann; Schattauer Verlag 2005.

Ergänzend zu der Toxikologischen Stellungnahme bezüglich einer möglichen Vergiftung teilte der Toxikologe des ASUM-UMG der BFU mit:

Bezogen auf die zur Verfügung gestellten Gesprächsmitschnitte und auf eine stattgefundene Exposition wird von den Piloten keines der Leitsymptome einer Organophosphatvergiftung berichtet. Hingegen sind die in beiden Fällen berichteten Symptomatiken wie bereits in der Toxikologischen Stellungnahme ausgeführt konsistent mit dem Einwirken von VOC. Eine Einwirkung von Organophosphaten ist in den vorliegenden Fällen nicht sicher auszuschließen, aber aufgrund der aktuell vorhandenen Informationen als eher unwahrscheinlich anzusehen.

Zur Konzentration von VOC, die zu einer körperlichen Symptomatik führen können, führt er aus:

Bezogen auf die Symptomatiken Ihrer Fälle können folgende in der Literatur beschriebenen Konzentrations-Wirkungsbeziehungen herangezogen werden [Seifert, 1999]:

0,20 – 3,0 mg VOC/m 3 Reizung oder Beeinträchtigung des Wohlbefindens möglich

3,0 – 25 mg VOC/m 3 Exposition führt zu einer Wirkung, Kopfschmerzen möglich

>25 mg VOC/m 3 Kopfschmerzen. Weitere neurotoxische Wirkungen außer Kopfschmerzen möglich.

Der Toxikologe konnte nicht eingrenzen, welche der sieben Klassen von VOC als Ursache für die Symptome der Besatzungsmitglieder angenommen werden könnte.

Allgemeine Untersuchungen

Am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Göttingen wurden noch weitere, allgemeine Untersuchungen durchgeführt. Bei Besatzungsmitgliedern, die an anderen Flügen mit Geruchsereignissen beteiligt waren, wurden am ASUM-UMG Untersuchungen im Auftrag von Trägern der Gesetzlichen Unfallversicherung durchgeführt. In den daraus folgenden Gutachten wurde die Existenz verschiedener VOC in den Blut- und Urinproben aufgeführt und mittels Headspace-Gaschromatographie/Massenspektrometrie Verfahren ermittelt. Der BFU lagen die Ergebnisse einzelner Proben vor. Dabei wurden zehn verschiedene VOC ermittelt:

2-Butanon (Blut/Urin) 

Isopropanol (Blut/Urin)

2-Methylpentan (Blut/Urin)

n-Hexan (Blut/Urin)

n-Heptan (Blut)

n-Octan (Blut)

n-Decan (Blut)

2-Heptanon (Blut/Urin)

Toluol (Blut/Urin)

Aceton (Blut/Urin)

Eine detaillierte Beschreibung der Abnahme-, Lagerungs- und Auswertungsroutinen, sowie der hierbei angewendeten Validierungs- und Qualitätssicherungsstandards lag der BFU nicht vor. Kein Besatzungsmitglied des betroffenen Fluges wurde beim ASUM-UMG untersucht.

Beurteilung der Beeinträchtigung der Piloten

Die BFU hat Sprachexperten des Bundeskriminalamtes (BKA) gebeten anhand der CVR-Aufzeichnungen, die Sprache auf Merkmale einer möglichen Vergiftung und von Stress zu beurteilen. Das Untersuchungsergebnis zeigte, dass die Betroffenen kein eingeschränktes Bewusstsein während des Ereignisses gehabt hatten. Bezüglich der Stimmen, Sprache und Sprechweise sind zu keinem Zeitpunkt Auffälligkeiten vorhanden, die auf besonderen Stress bei einem der Sprecher hinweisen.

Außerdem hat die BFU die CVR-Aufzeichnungen drei Verkehrspiloten, die mit Flugsicherheitsfragen vertraut sind, zur Beurteilung vorgelegt. Keiner dieser Piloten konnte nennenswerte Beeinträchtigungen in der Sprache und in den Handlungen feststellen.

Weitere Informationen zur Qualität der Kabinenluft in Verkehrsflugzeugen

Die BFU hat im Jahr 2014 eine Studie über die Meldungen zu sogenannten Geruchsereignissen (Fume-Events) durchgeführt (BFU 803.1-14 / 07.05.2014). In dieser Studie wurden 663 Meldungen dieser Art aus den Jahren 2006 bis 2013 ausgewertet. Als Ergebnis hat die BFU hier vier Sicherheitsempfehlungen veröffentlicht. Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (International Civil Aviation Organization, ICAO) hat im Jahr 2015 das Dokument "Circular 344-AN/202, Guidelines on Education, Training and Reporting Practices related to Fume Events" herausgegeben.

Die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) veröffentlichte im März 2017 eine Studie "Preliminary cabin air quality measurement campaign", welche sich mit der Identifikation und Quantifizierung von in der Kabinenluft von Verkehrsflugzeugen anzutreffenden Substanzklassen befasste. Für die Studie wurden auf mehreren Flügen mit verschiedenen Flugzeugmustern Luftproben gewonnen, welche auf VOC- Einzelsubstanzen, TCP und Aldehyde untersucht wurden. Bereits während des Fluges wurden die Gesamtmenge an VOC, CO, CO2, O2, die Luftdichte, der Luftdruck sowie die Temperatur gemessen. Die Grenzwerte, welche für Innenräume von öffentlichen Gebäuden in Deutschland definiert sind, wurden in keiner Messung überschritten. Die Autoren halten es für unwahrscheinlich, dass derart niedrige Substanzkonzentrationen im Rahmen der aktuell angewendeten bioanalytischen Verfahren nachgewiesen werden können/nachweisbar sind.

Der BFU liegen Messdaten der Kabineninnenluft zu einem Flug mit einem Geruchsereignis vor, bei dem eine gleiche Messausrüstung verwendet wurde, wie sie im Rahmen der EASA-Studie eingesetzt worden war. Die Auswertung dieser Messungen zeigte, dass die Konzentrationen der einzelnen Substanzgruppen ähnlich niedrig waren, wie sie in der EASA-Studie ermittelt worden waren.

Informationen des Flugzeugherstellers

Der Flugzeughersteller beantwortete die Fragen der BFU, welche der oben genannten Schadstoffe bei den im Flugzeug verbauten Materialen oder Betriebsstoffen auftreten könnten. Dieser trifft zusammengefasst folgende Aussage: Auf Grund der hohen Anzahl der existierenden VOC und den begrenzten Informationen in den Sicherheitsdatenblättern konnte der Flugzeughersteller nicht alle möglichen Quellen (Bauteile, Arbeitsverfahren usw.) benennen, bei denen VOC freigesetzt werden könnten. Eine Suche in der Datenbank hat 450 Einträge für Substanzen ergeben, die eine oder mehrere der zehn vom ASUM-UMG ermittelten VOC enthalten.

Diese werden im Herstellungsprozess des Flugzeuges hauptsächlich bei Verklebungen, Oberflächenbeschichtungen, Korrosionsschutz und der Reinigung eingesetzt. Es gibt aber keinen Hinweis darauf, dass sie während des Betriebs des Luftfahrzeuges verwendet werden. Kerosin enthält in schwankenden Mengenanteilen einige der oben genannten Verbindungen, da es hauptsächlich aus einer Mischung von Kohlenwasserstoffen (C9 bis C16) besteht. Es enthält aber keine großen Mengen an Hexan mehr.

Welche Schadstoffe sich durch kontaminierte Bleed-Air bilden könnten, beantwortete der Flugzeughersteller zusammenfassend folgendermaßen:

Es gibt keine umfassende Datenbank der thermischen Zerfallsprodukte, die alle möglichen Verunreinigungen und Temperatur-Szenarien abdeckt. Da Bleed-Air als normale Luft ca. 21 Prozent Sauerstoff enthält, sollten nur oxidierte Produkte, wie Aldehyde und Säuren, bei der thermischen Zersetzung entstehen. Es gibt nur eine Studie (ASHRAE Research Project Report 1306-RP), die berichtet, dass aliphatische Kohlenwasserstoffe während der thermischen Zersetzung von Triebwerksöl entstehen. Aus Sicherheitsgründen wurde die thermische Zersetzung unter Stickstoffatmosphäre durchgeführt und ist daher für die Bleed-Air-Verunreinigung nicht repräsentativ.

Der Flugzeughersteller verwies auf die veröffentlichten Daten der Studie ASHRAE 1262 RP und die darin enthaltenden Schlussfolgerungen, dass die Konzentration der meisten VOC (mit wenigen Ausnahmen), die in Luftfahrzeug-Kabinen zu finden sind, gleich oder geringer sind, als die, die in Gebäuden vorgefunden wurden.

Beurteilung

Das Geruchsereignis im Flugzeug war dadurch charakterisiert, dass die Piloten gleichzeitig einen intensiven, unangenehmen Geruch wahrnahmen. Unmittelbar darauf bemerkten beide Piloten Symptome und eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit. Begleitet wurde das Ereignis durch Beeinträchtigungen bei den Flugbegleitern.

Die Untersuchung der BFU erfolgte mit der Zielsetzung, die Gefährdung der Flugsicherheit aufgrund der Symptome der Flugbesatzung durch Verunreinigungen der Kabinenluft zu bewerten. Die Ursache für den Geruch sollte gefunden werden.

Flugbetrieb/Handlungen der Flugbesatzung

Für die Beurteilung der Handlungen der Flugbesatzung standen der BFU die Daten des FDR und des CVR sowie Aussagen der Besatzung zur Verfügung. Den CVR-Aufzeichnungen ist zu entnehmen, dass der Geruch sofort mit Triebwerk-Schmierstoff in Verbindung gebracht wurde. Dies ist möglicherweise auf die im Steigflug geäußerte Vermutung zurückzuführen, dass es sich bei dem Geruch um "Öl" bzw. "TCP" handeln würde.

Der Kapitän leitete nun Maßnahmen zur Beseitigung des Geruches ein, indem er die Bleed-Air-Versorgung änderte. Da die Besatzung von einer Verschmutzung der Bleed-Air-Versorgung ausging, sind diese Handlungen als richtig zu bewerten. Da der Geruch nicht beseitigt werden konnte und die Piloten die wahrgenommenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit diesem Geruch in Verbindung brachten, war das Aufsetzen der Sauerstoffmasken eine folgerichtige Handlung. Unmittelbar nach dem Aufsetzen der Masken beobachteten beide Piloten eine Verbesserung ihres Befindens. Nach Auffassung der BFU hat die Flugbesatzung die richtigen Maßnahmen ergriffen, um die Symptome abzustellen. Dies gilt auch unter der Berücksichtigung, dass das Fliegen unter der Sauerstoffmaske Beeinträchtigungen bei der Führung des Flugzeugs verursacht (z.B. erschwerte Kommunikation).

Abb. 4 zeigt die zeitliche Abfolge des Ereignisses. Im weiteren Flugverlauf arbeitete die Besatzung die Landing-Checklist ab. Anhand der Landemasse, der angegebenen Windbedingungen und der Konfiguration des Luftfahrzeuges ergab sich bei einer Flughöhe von 1.000 ft AGL (Höhe über Grund, Above Ground Level) eine Zielanfluggeschwindigkeit (IAS-TARGET = Max [VAPP, (VAPP + CURRENT HEADWIND – TWR HEADWIND)]) von 153 kt. Beim Passieren dieser Flughöhe wurde diese Geschwindigkeit mit der entsprechend OM-A-zulässigen Toleranz eingehalten.

Sowohl die zulässige vertikale und laterale Abweichung des ILS, als auch die zulässige maximale Sinkgeschwindigkeit wurden nicht überschritten. Damit wurden die Kriterien für einen stabilisierten Anflug eingehalten. Außerdem zeigt die Auswertung der Fluggeschwindigkeit, dass der Pilot in der Lage war, das Flugzeug während des Landeanfluges innerhalb der Toleranzen zu fliegen. Abb. 5 zeigt die Auswertung der Fluggeschwindigkeit des Flugzeugs im Landeanflug.

Die aufgezeichneten Beschleunigungswerte bei der Landung waren gering und vergleichbar mit anderen Landungen mit diesem Flugzeug. Der Flugverlauf zeigt, dass die Besatzung, auch mit aufgesetzten Sauerstoffmasken und unter den schwierigen Windbedingungen bei der Landung, in der Lage war, das Flugzeug präzise zu führen.

Bei der Identifikation der Geruchsquelle wendete die Besatzung keine Checkliste an, da sie sich nach ihren Angaben auf die Landung hatte konzentrieren wollen. Die Anwendung der Checkliste "SMOKE/FUMES/AVNCS SMOKE" hätte der Besatzung auch keine wirkungsvolle Anleitung gegeben, da diese darauf ausgerichtet ist, mögliche Quellen von Rauch im Flugzeug zu identifizieren und zu isolieren. Sie ist deshalb nicht geeignet, um die vielfältigen Ursachen von Gerüchen festzustellen und zu beseitigen.

Da Gerüche einerseits auf einen Fehler im Flugzeug hinweisen können (z.B. bei einem Brand), andererseits eine normale Erscheinung beim Betrieb des Flugzeuges darstellen, ist eine differenzierte Betrachtung von Gerüchen notwendig. Die Tatsache, dass die Besatzung Gerüche mit dem Einflug in die Wolke aber auch mit dem geruchslosen TCP in Verbindung brachte, zeigt, dass sie eine unklare, vorgeprägte Vorstellung über deren Ursachen hatte. Nach Auffassung der BFU ist es erforderlich, dass Besatzungen über die vielfältigen Ursachen der Gerüche, deren Zuordnung und den daraus möglicherweise resultierenden Gefährdungen geschult sind.

Aus diesem Grund sollte der Hersteller des Flugzeuges Betriebsanweisungen für die Handlungen bei einem Geruchsereignis herausgeben. Ebenfalls sollten die Betreiber der Luftfahrzeuge die Besatzungen über das Auftreten von Gerüchen und deren Gefährdungseinstufungen informieren.

Technische Untersuchung

Die Untersuchung des Flugzeuges ergab keine Befunde, die eine Geruchsbildung hätten erklären können. Allerdings beschränkte sich die technische Untersuchung ausschließlich auf die Annahme, dass verschmutze Bleed-Air den Geruch verursacht hätte. Andere Möglichkeiten wurden nicht in Betracht gezogen. Nach Auffassung der BFU bestehen verschiedene Quellen für Geruchsbildung im Flugzeug. Diese beschränken sich nicht allein auf verschmutzte Bleed-Air. Es kann sich auch um Stoffe handeln, die sich bereits an Bord befinden und im Normalbetreib oder durch Fehler freigesetzt werden (Studie BFU 803.1-14, Seite 49 ff und ICAO Circular 344- AN/202, Item 2.3.2).

Eine Fehlersuche allein auf verschmutzte Zapfluft schränkte die Möglichkeit ein, die Ursache für den Geruch festzustellen. Die vor dem Flug durchgeführten Wartungsereignisse erklären das Auftreten des Geruches nicht.

Instandhaltung des Flugzeuges und Messung mit dem Luftqualitätsmessgerät

Die Messung mit dem Luftqualitätsmessgerät erfolgte vor der eigentlichen Fehlersuche. Damit wurde sichergestellt, dass mögliche Verschmutzungen im Bleed-Air-Leitungssystem und in den Filtern nicht beseitigt und somit die Messergebnisse nicht verfälscht wurden. Trotzdem bildete diese Messung nur den Zustand ab, der bei dem Bodentestlauf, also einige Zeit nach dem eigentlichen Geruchsereignis, bestand. Aufgrund der Tatsache, dass zu diesem Zeitpunkt keine Anzeige "ENGINE OIL" generiert wurde, kann nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass während des vorangegangen Fluges eine Verschmutzung der Luft durch Triebwerksöl bestand. Da aber keine außergewöhnlichen Schmierstoffverbräuche in dem Zeitraum des Fluges auftraten, ist auszuschließen, dass größere Mengen von Triebwerksöl in die Bleed-Air gelangten. Bei der anschließenden Kontrolle der Triebwerke wurden keine Ölleckagen gefunden. Der BFU liegen keine gesicherten Angaben vor, welche Mengen von Triebwerksöl in der Bleed-Air nur eine Geruchsbelästigung oder bereits eine gesundheitliche Beeinträchtigung hervorrufen (BFU Studie 803.1-14 / 07.05.2014 / Sicherheitsempfehlung 05/2014).

Seitens der BFU ist nicht vollständig erklärbar, warum durch das Luftqualitätsmessgerät die Anzeige "GLYCOL OLD/?" generiert wurde, obwohl das Flugzeug an diesem Tag nicht enteist worden war. Es besteht die Möglichkeit, dass sich Reste von Enteisungsflüssigkeit von vorangegangenen Enteisungsvorgängen im ECS befanden. Bei den technischen Untersuchungen am Flugzeug wurden in den untersuchten Bereichen des Bleed-Air-Systems keine Rückstände der Flüssigkeit gefunden. Möglicherweise könnten sehr geringe Mengen im ECS unentdeckt geblieben sein, die dann diese Anzeige ausgelöst haben. Dann ist allerdings nicht verständlich, warum die Geruchsentwicklung nicht schon bei den vorangegangenen Flügen auftrat und warum geringe Mengen diese Symptome ausgelöst haben sollten. Es ist ebenfalls nicht erklärbar, warum die Geruchsentwicklung nur in bestimmten Flugphasen auftrat.

Es gibt ebenfalls keine Erklärung für die Anzeigen Aceton und Ammoniak. Aufgrund der Geruchsbeschreibung und der gemessenen äußerst geringen Konzentration ist eine Beteiligung dieser Stoffe an der Geruchsbelästigung und den Symptomen unwahrscheinlich. Rückschlüsse auf die mögliche Konzentration dieser Stoffe zum Zeitpunkt des Auftretens des Geruches während des Fluges konnten ebenfalls nicht gezogen werden.

Ursachenbestimmung während des Fluges und Verteilung der Luft im Flugzeug

Die Geruchsbelästigung wurde sowohl im Cockpit als auch in der Kabine wahrgenommen. Es wurde keine lokal begrenzte Geruchsquelle identifiziert, wie z.B. ein Ofen oder ein defektes Bauteil. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass der Geruch durch das ECS in das Flugzeug eingeleitet wurde.

Aufgrund der komplexen Verteilung der Luft aus den beiden Bleed-Air-Quellen und der Recirculating Air in das Cockpit und die Kabine (siehe Vereinfachtes Schema der Mixer Unit) ist es im Normalbetrieb unmöglich festzustellen, aus welchem Teil des Bleed-Air-Systems die Verschmutzung in den Innenraum des Flugzeugs gelangt.

Erst bei der Versorgung des ECS mit der Bleed-Air eines einzigen Triebwerkes wäre es möglich gewesen, die Quelle für die Bleed-Air-Verschmutzung zu identifizieren. Dies wurde mit der Unterbrechung der Bleed-Air-Versorgung des Triebwerkes #1 und der Öffnung des Cross-Bleed-Valves (damit Versorgung beider Packs aus dem Triebwerk #2) entsprechend versucht. Aufgrund der hohen Luftaustauschrate im Cockpit (54 pro Stunde) konnte innerhalb dieser 30 Sekunden, die diese Konfiguration beibehalten wurde, ein hoher Anteil der Luft im Cockpit ausgetauscht werden. Dadurch hätte die Geruchsintensität nachlassen müssen. Dies wurde von der Flugbesatzung jedoch nicht wahrgenommen. Dies könnte auf eine Verschmutzung durch die Bleed-Air des Triebwerkes #2 hinweisen. Ebenso könnte aber auch eine Verschmutzung des ECS (in Fließrichtung nach dem Cross-Bleed-Valve) oder die Trim-Air die andauernde Geruchsentwicklung verursacht haben. Ein nicht zu vernachlässigender weiterer Grund für die unverminderte Wahrnehmung des Geruches könnte in der unzuverlässigen olfaktorischen Wahrnehmung des Menschen liegen.

Da keine dieser Möglichkeiten ausgeschlossen werden kann, ist es aus Sicht der BFU nicht möglich festzustellen, ob der Geruch durch eine Verschmutzung der Bleed-Air aus dem Triebwerk #1 verursacht wurde. Der anschließende Wechsel der Luftversorgung der Packs (Versorgung beider Packs, dann ausschließlich aus dem Triebwerk #1) erbrachte kein Ergebnis, da unmittelbar danach die Flugbesatzung die Sauerstoffmasken aufgesetzt hat.

Angaben des Flugzeugherstellers

Der Flugzeughersteller hat der BFU mitgeteilt, dass VOC bei diversen Produkten auftreten, die bei der Herstellung des Flugzeuges verwendet würden. Er hat ebenfalls bestätigt, dass VOC in der Kabinenluft auftreten könnten, wenn die Bleed-Air damit kontaminiert ist. Nach den Ergebnissen der Studien seien die bei thermischen Zerfallsprozessen entstandenen VOC hinsichtlich der Konzentrationen in der Kabine so gering, dass Richtwerte für die Luftqualität von Innenräumen nicht überschritten wurden. Basierend auf diesen Angaben ist es für die BFU nicht nachvollziehbar, wie eine Kontamination der Kabinenluft mit VOC durch das ECS erfolgen konnte, die dann diese Symptome bei der Besatzung ausgelöst hat.

Beeinträchtigung der Besatzung

Flugbesatzung

Bis zum Auftreten des Geruches um 08:23:50 Uhr hatte die Flugbesatzung nach eigenen Angaben keinerlei gesundheitliche Einschränkungen. Die Aufzeichnungen auf dem CVR zeigten, dass die Piloten bis zum Aufsetzen der Sauerstoffmasken über keinerlei gesundheitliche Beeinträchtigungen berichten. Einige Zeit nach dem Aufsetzen der Masken äußerten beide Piloten, dass sie zuvor Symptome an sich festgestellt hätten. Diese wurden unterschiedlich dargestellt. Während der Kapitän von einem kurzen Gefühl der Benommenheit sprach, bemerkte der Co-Pilot, dass er ein Kribbeln verspürte. Den CVR-Daten konnten keine Informationen über weitere Symptome entnommen werden.

Nach Einschätzung des Kapitäns, die er unmittelbar nach dem Aufsetzen der Masken traf, war eine "normale" Landung möglich. Zu keinem Zeitpunkt wurde ein Dringlichkeits- oder Notanruf (PAN PAN/MAYDAY) in Betracht gezogen, was darauf hinweist, dass die Piloten die Situation nicht als bedrohlich einschätzten. Zum Zeitpunkt 03:24 Minuten nach dem Aufsetzen der Masken sagte der Kapitän, dass es ihm nun "sehr, sehr gut" gehe. Ebenfalls zeigte die Konversation der Flugbesatzung am Gate, dass das Geruchsereignis und die festgestellten Symptome keine Rolle mehr spielten, da sie diese Ereignisse nicht mehr erwähnten. Vielmehr war die Besatzung noch deutlich von den notwendigen Steuerausschlägen unter den herrschenden Windbedingungen beeindruckt. Sowohl die Handlungen als auch ihre Sprache gaben keine Hinweise darauf, dass die Piloten durch das Geruchsereignis beeinträchtigt waren.

Bei der späteren Selbsteinschätzung des Kapitäns, einen Tag bzw. zwei Wochen nach dem Ereignis, wurden die Angaben der Symptomatik erweitert. Er berichtete von Hitzewallungen, Kratzen im Hals, leichtem Schwindel, Benommenheit und Kribbeln in den Fingern. Seine Beeinträchtigung gab er auf dem Fragebogen mit der Stufe 4 an. Diese Stufe entsprach: in der Lage Aufgaben zu erfüllen, aber mit einigen Schwierigkeiten und/oder kleineren Fehlern.

Die BFU konnte nicht nachvollziehen, worin der Kapitän die Schwierigkeiten sah, seine Aufgaben zu erfüllen, da die objektiven Daten keine reduzierte Leistungsfähigkeit seinerseits erkennen lassen. Die weitere Beurteilung des Ereignisses wird durch die eskalierende Angabe der Beeinträchtigungen erschwert, da die multiple Symptomatik keine Zuordnung zu einer definierten toxikologisch-physiologischen Reaktion erlaubt (siehe toxikologische Betrachtung). Die Beschreibungen des Co-Piloten seiner Symptome sind konstanter. Die auf dem CVR aufgenommene Beobachtung eines Kribbelns wurde auch später bei den Befragungen von ihm wiederholt. Die objektiven Daten zeigen auch beim Co-Piloten keine Anzeichen für eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit.

Das vereinzelte Auftreten von kleinen Arbeitsfehlern (falsche Addition der Insassen an Bord und falsches Zurücklesen einer Frequenz) ist aus Sicht der BFU kein Beleg für eine reduzierte Leistungsfähigkeit seinerseits. Nach Auffassung der BFU könnten die festgestellten Symptome der Piloten zwar zu einer Beeinflussung ihrer Leistungsfähigkeit geführt haben, diese waren aber zu keiner Zeit so ausgeprägt, dass sie erkennbar die Erfüllung der Aufgaben gefährdeten.

Kabinenbesatzung

Durch die Kabinenbesatzung wurden in den versendeten Fragebögen verschiedene Grade der Beeinträchtigung angegeben. Am häufigsten wurde die Stufe 2 aufgeführt. Dies entpsrach: Unwohlsein (z.B. Kopfschmerzen, Übelkeit) – jedoch keine Beeinträchtigung. Ein Mitglied der Kabinenbesatzung gab an, dass es nicht in der Lage war, seine Aufgaben zu erfüllen. Dies ist für die BFU nicht nachvollziehbar, da die Handlungsunfähigkeit eines Besatzungsmitgliedes nicht in dem Bericht des Kabinenpersonals erwähnt wurde. Es gibt dazu auch keine Hinweise in dem Bericht des Kapitäns bzw. konnte dies den Aufzeichnungen des CVR nicht entnommen werden.

Die Mitglieder der Kabinenbesatzung waren ebenfalls dem Geruch ausgesetzt. Ihre Beeinträchtigungen waren vergleichbar mit denen der Piloten, bevor diese die Sauerstoffmasken aufsetzen. Eine weitere Verschlechterung ihrer Symptomatik setzte nicht ein, obwohl sie keine Sauerstoffmasken aufgesetzt hatten.

Toxikologische Betrachtung

An Bord des Flugzeuges war es zu einem Ereignis gekommen, das zu einem intensiven Geruch führte. In dessen Folge nahmen die Besatzungsmitglieder Symptome wahr. Bei den Piloten wurden die Symptome durch das Aufsetzen der Sauerstoffmasken deutlich verringert. Seitens der BFU konnte nicht geklärt werden, welche Stoffe in der Kabinenluft zu der Geruchsentwicklung führten und wie es zu den von den Besatzungsmitgliedern beschriebenen Symptomen kommen konnte. Ein Merkmal dieses Ereignisses war das schnelle Auftreten der Symptome, aber auch deren schnelles Nachlassen nach einer kurzfristigen Sauerstoffzugabe. Abb. 6 zeigt den schematischen Ablauf des Geruchsereignisses.

In der toxikologischen Stellungnahme des ASUM-UMG wurde als Ursache für den Geruch und die Symptomatik der Besatzung das Auftreten von VOC in der Kabinenluft angesehen. Dabei wurden sieben Stoffgruppen angesprochen, die dem Oberbegriff VOC zuzuordnen sind. Eine genauere Eingrenzung durch den Toxikologen war nicht möglich. Die Annahme des Toxikologen, dass VOC die Kontamination der Kabinenluft verursacht haben könnten, ist für die BFU nur insoweit nachvollziehbar, als dass das schnelle Auftreten von mit VOC assoziierten Symptomen unter Exposition und ihr rasches Verschwinden nach dem Expositionsende der zeitlichen Abfolge bei diesem Ereignis entspricht. Die vom Toxikologen im Gutachten angenommene Bewusstseinseintrübung trat nicht auf.

Welche Konzentrationen von VOC in der Kabinenluft notwendig waren, um die bei diesem Ereignis beschriebenen Symptome auszulösen, ließ sich nicht eindeutig klären. In der im Gutachten verwendeten Referenztabelle für das Auftreten von gesundheitlichen Symptomen bei TVOC-Exposition (Seifert, 1999) werden schwerwiegendere Symptome bei Konzentrationen im Bereich >25 mg/m3 beschrieben. Die TVOC (total volatile organic compounds) ist die Summe der leichtflüchtigen organischen Verbindungen.

Basierend auf den Angaben des Luftfahrzeugherstellers, als auch aufgrund weiterer Messergebnisse, die der BFU zu dieser Thematik vorliegen, ist eine TVOC-Exposition in dieser Größenordnung durch Eintragung in die Kabinenluft nicht nachvollziehbar. Des Weiteren beschreibt die im Gutachten verwendete Studie Expositionszeiten von bis zu 02:45 h. Damit entspricht sie weder hinsichtlich der betrachteten TVOC-Konzentration noch der Expositionszeit den bekannten Merkmalen dieses Kabinenluftereignisses.

Die anderen Untersuchungsergebnisse konnten die Erklärung des Toxikologen, d.h. die Existenz von VOC in der Kabinenluft als Ursache für die Symptome, nicht unterstützen oder sie waren nicht für deren Nachweis geeignet. Die medizinische Untersuchung der Besatzung (Blut- und Urinproben) war in diesem Fall nicht geeignet, da sie nicht auf den Nachweis von VOC ausgerichtet war. Selbst bei einem positiven Nachweis von VOC, z.B. im Rahmen eines Humanbiomonitoring, ist der hieraus resultierende Krankheitswert, genau wie der zugrundeliegende Wirkmechanismus, derzeitig nicht definiert. Außer den arbeitsmedizinisch veranlassten Untersuchungen am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Göttingen gibt es keine auf Flugzeug-Kabinenluft ausgerichtete Untersuchungsmethodik (zum Zeitpunkt der Erstellung des Berichtes).

Ebenso können die Messungen mit dem Luftqualitätsmessgerät nicht zur Bestätigung der Annahme des Toxikologen herangezogen werden, da diese nach dem Ereignis durchgeführt wurden. Möglicherweise könnten Reste der Enteisungsflüssigkeit bei thermischen Zersetzungsprozessen die Bildung von VOC ermöglicht haben. Der Eintrag von größeren Mengen von Enteisungsflüssigkeit in das ECS ist nicht sehr wahrscheinlich, da das Flugzeug bereits vier Flüge seit dem letzten Enteisungsvorgang absolviert hatte, ohne dass ein Geruchsereignis gemeldet wurde.

Bei der technischen Untersuchung wurden keine Defekte und auch keine Verunreinigungen am Flugzeug festgestellt, die die Existenz von VOC in der Kabinenluft erklären würden. Ebenfalls lieferten die Informationen des Flugzeugherstellers keine Erklärung für die angenommene Existenz von VOC in der Kabinenluft in einer gesundheitsschädlichen Konzentration.

Aus der Sicht der BFU besteht bei der Analyse des Ereignisses die Schwierigkeit, dass die Ursache für den Geruch nicht identifiziert werden konnte. Es kann demzufolge auf der Basis einer technischen Analyse nicht eingeschätzt werden, ob überhaupt und in welcher Konzentration die angenommenen VOC oder andere Schadstoffe bei diesem Flug auftraten.

Auch wenn VOC als Ursache für die wahrgenommenen Symptome nicht auszuschließen sind, ist dies zumindest im Hinblick auf die dafür notwendigen Konzentrationen in der Kabinenluft nicht plausibel. In der toxikologischen Stellungnahme des ASUM-UMG wurde das Auftreten von Organophosphaten (wie z.B. TCP) als Ursache für die Symptome als unwahrscheinlich eingeschätzt. Andere Ursachen einer Kontamination konnten ebenfalls nicht bestimmt werden. Die Vielfalt der geschilderten Symptome lässt sich physiologisch nicht durch einen einzigen zugrundeliegenden Wirkmechanismus herleiten. Es kann damit keine Ursache für die Symptome der Besatzung angegeben werden.

Möglicherweise psychische Reaktionen

Unter Berücksichtigung der Angaben des Flugzeugherstellers, der Studie der EASA und der Ergebnisse der Messungen der Kabinenluft bei einem anderen Geruchsereignis ist es für die BFU nicht nachvollziehbar, dass durch verschmutzte Kabinenluft Symptome ausgelöst werden können, so wie sie von den Piloten wahrgenommen wurden. Demzufolge müssten nach der Entstehung des Geruches andere, möglicherweise auch psychische Reaktionen, die Symptome ausgelöst oder zu deren Auslösen beigetragen haben.

Benutzung der Sauerstoffmasken

Nach der Erstmeldung an die BFU hatten die Piloten angegeben, dass die Nutzung der Sauerstoffmasken notwendig war. Dieser Umstand entsprach den im Anhang der Verordnung (EU) Nr. 996/2010 über die Untersuchung und Verhütung von Unfällen und Störungen in der Zivilluftfahrt aufgeführten Beispielen für eine Schwere Störung. Im Rahmen der Untersuchung konnte nicht geklärt werden, worin die Ursache für die Geruchsentwicklung lag. Deshalb ist nicht klar, ob oder in welchem Umfang gesundheitsgefährdende Schadstoffe in der Kabinenluft auftraten. Sie traten jedoch nicht in einer Konzentration auf, die eine hohe Unfallwahrscheinlichkeit ausgelöst hätte.

Die BFU kann nicht mit absoluter Sicherheit einschätzten, wie sich der Gesundheitszustand der Flugbesatzung weiter entwickelt hätte, wenn sie die Sauerstoffmasken nicht aufgesetzt hätten. Ausgehend von den Ergebnissen der Beurteilung ist es sehr wahrscheinlich, dass auch ohne das Aufsetzen der Sauerstoffmasken die Beeinträchtigungen nicht zur Handlungsunfähigkeit geführt hätten. Sowohl vor als auch nach dem Aufsetzen der Sauerstoffmasken ist aus den objektiven Daten des Flugverlaufs und der Sprachanalyse des BKA keine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit der Flugbesatzung feststellbar. Die Kabinenbesatzung war ohne die Zugabe von Sauerstoff in der Lage, ihre Aufgaben zu erfüllen, obwohl sie einer ähnlichen Qualität der Kabinenluft ausgesetzt war. Nach dem wechselseitigen Abschalten der Bleed-Versorgung wurde die gesamte Flugzeugkabine von nur einer Bleed-Air-Quelle versorgt.

Ebenso gab es keine Passagiere, die handlungsunfähig waren. Dies lässt den Schluss zu, dass auch die Piloten im Cockpit ohne die Anwendung der Sauerstoffmasken handlungsfähig geblieben wären. Demzufolge bestand entsprechend der Verordnung (EU) Nr. 996/2010 über die Untersuchung und Verhütung von Unfällen und Störungen in der Zivilluftfahrt keine hohe Unfallwahrscheinlichkeit.

Diese Einschätzung stellt nicht in Frage, dass das Aufsetzen der Sauerstoffmasken, auch unter Berücksichtigung der damit verbundenen Nachteile, das Befinden der Besatzung verbessert hat und demzufolge eine geeignete Maßnahme war. Im Rahmen der Untersuchung der BFU konnte nicht eindeutig festgestellt werden, durch welchen Wirkmechanismus die Verbesserung ausgelöst wurde.

Schlussfolgerungen

Befunde: Auf dem Flug kam es zu starken Gerüchen. Die Ursache für die Gerüche konnte nicht ermittelt werden. Nach dem Auftreten der Gerüche kam es zu Symptomen bei der Besatzung. Die Besatzung war vor und nach dem Aufsetzen der Sauerstoffmasken in der Lage, ihre Aufgaben zu erfüllen.

Das Aufsetzen der Sauerstoffmasken war eine geeignete Maßnahme, um die Symptome der Flugbesatzung zu reduzieren. Der Anflug erfolgte stabilisiert. Die Handlungsfähigkeit der Flugbesatzung war nicht derart beeinflusst, dass die sichere Durchführung des Fluges gefährdet gewesen wäre. Es bestand keine hohe Unfallwahrscheinlichkeit. Die Voraussetzungen zur Einstufung des Ereignisses als Schwere Störung waren nicht gegeben.

Die Ausbreitung von VOC in der Kabinenluft in einer Konzentration, die gesundheitliche Beeinträchtigungen hervorruft, konnte nicht nachgewiesen werden. Die Einwirkung von Organophosphaten (z.B. TCP) als Auslöser für diese Symptome ist als unwahrscheinlich anzusehen. Es gab keine medizinischen Befunde, die auf eine mögliche Vergiftung der Besatzungsmitglieder hinweisen. Die Methodik zur Untersuchung des Blutes war nicht geeignet, Vergiftungen mit den in Verdacht stehenden Substanzen aufzuzeigen. Es gab keine technischen Befunde, die Hinweise auf eine Ursache für die Geruchsentwicklung geben. Es gibt für die Besatzung keine Checkliste, wie bei Geruchsereignissen vorzugehen ist.

Ursache: Auf dem Flug kam es zu einem Geruchsereignis und zu Symptomen, die die Flugbesatzung dazu veranlasste, die Sauerstoffmasken aufzusetzen. Es konnte nicht abschließend geklärt werden, ob und welche Verunreinigungen den Geruch verursacht haben und in welchem Zusammenhang diese mit den Symptomen stehen könnten.

Sicherheitsempfehlungen

Empfehlung Nr.: 04/2018

Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft e.V. (BDL) sollte die Aktivitäten der im Verband organisierten Luftfahrtunternehmen dahingehend koordinieren, dass den Besatzungen sachdienliche Informationen über die Existenz, mögliche Ursachen und Auswirkungen von Geruchsereignissen in der Flugzeugkabine zur Verfügung gestellt werden und die Besatzungen regelmäßig entsprechend geschult werden.

Der BDL sollte hierzu den Austausch und eine Abstimmung der zu vermittelnden Inhalte und Vorgehensweisen unter den ihm angehörenden Luftfahrtunternehmen organisieren, um eine harmonisierte Umsetzung zu erzielen. Dabei sind gesicherte Erkenntnisse aus der Forschung und Entwicklung zu verwenden. Das ICAO Dokument "Circular 344-AN/202, Guidelines on Education, Training and Reporting Practices related to Fume Events" sollte als Grundlage dienen. Die Generaldirektion Mobilität und Verkehr der Europäische Kommission, in Zusammenarbeit mit der EASA, hat ein Projekt zur Untersuchung der Qualität von Kabinenluft initiiert (FACTS). Die BFU sieht daher davon ab, weitere Sicherheitsempfehlungen herauszugeben.

Anlagen und Bilder zur Untersuchung Fume Event

Abb. 7: Luftaustauschraten in der Kabine des A321

Abb. 8: Darstellung der möglichen Einflüsse, die in der Flugzeugkabine zu Beeinträchtigungen, Beobachtungen oder Einschränkungen führen können

Tabelle: Beispiele für Geruchsquellen; Quelle ICAO Circular 344-AN/202

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Potential contaminants in the ventilation supply air:

  • De-icing and/or anti-icing fluid
  • Electrical faults
  • Engine compressor wash
  • Engine oil
  • Exhaust (aircraft or ground vehicles)
  • Fuel
  • Hydraulic fluid

Recirculation fan failure Items in the cabin and/or flight deck that can be sources of fumes:

  • Carry-on baggage
  • Cleaning products
  • Disinfectants
  • Disinsectants
  • Food items
  • Galley equipment
  • Lavatories

Abb. 9 und 10: Schmierstoffverbräuche der Triebwerke

Abb. 11: Angaben zum Blutbild

Abb. 12: Checkliste SMOKE/FUMES/AVNCS SMOKE

Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, entsprechen Ortszeit. Quelle und Bilder, soweit nicht anders angegeben: BFU

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