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Rückwärtsflug von Raketen: Forschung sucht Mehrweg

 

19. Jun 2019 - 02:13 Uhr


Technik

Rückwärtsflug von Raketen: Forschung sucht Mehrweg

Über drei Jahre untersucht ein Konsortium die Aerodynamik, die Aerothermodynamik, also die Oberflächentemperaturen während des Flugs, die gesamte Flugdynamik bei Flug und Rückflug, Navigation und Steuerung sowie Strukturteile, Materialien und Mechanismen.


Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und fünf europäische Unternehmen haben sich im Projekt RETALT (RETro Propulsion Assisted Landing Technologies) zusammengeschlossen, um gemeinsam die Erforschung und Entwicklung von Schlüsseltechnologien für rückwärtslandende Raketen voranzutreiben. RETALT ist ein europäisches Projekt, das von der Europäischen Kommission im Rahmen des EU-Förderprogramms Horizont 2020 mit drei Millionen Euro gefördert wurde.


Mehrwegrakete: Noch nicht mal völlig verstanden


"In den USA sind wiederverwendbare Raumtransportsysteme mit Retro-Schub schon in der Praxis in Betrieb. Die Bilder und Videos von SpaceX sind um die Welt gegangen. Da verwundert es vielleicht, dass die physikalischen Phänomene hinter den Technologien noch gar nicht vollständig verstanden sind. Aber es ist so: Stand heute fehlen hochwertige, experimentelle Daten aus Windkanalversuchen und Bodendemonstratoren", sagt Prof. Ali Gülhan, RETALT-Projektkoordinator und Leiter der Abteilung Über- und Hyperschalltechnologien am DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik in Köln.


"Wenn wir diese Daten mit numerischen Simulationen kombinieren, können wir die komplexe Physik besser verstehen und einen großen Schritt in Richtung Wiederverwendbarkeit von Raketen in Europa machen. Nur eine enge und intensive Zusammenarbeit von Forschung und Industrie kann das Know-how für eine schnellstmögliche Umsetzung der notwenigen Technologien liefern", so Gülhan weiter.


Während des Projekts werden zwei Konzepte für senkrecht startende und landende Raketen getestet: Die Konfiguration RETALT1 hat zwei Stufen – ähnlich den konventionellen Raketen Falcon 9 oder Ariane 5. Die erste Stufe dieser Trägerrakete soll wieder landen. Der zweite Launcher (Konzept RETALT2) hat nur eine einzige Stufe. Er ist für kleinere Nutzlasten ausgelegt und bremst bei der Rückführung nicht nur mit dem Retro-Schub, sondern zusätzlich mit Hilfe einer großen aerodynamischen Grundfläche an der Unterseite.


Das RETALT-Team untersucht sämtliche Aspekte mit Referenzkonfigurationen, und Modellen im kleineren Maßstab. So werden bei den Aerodynamiktests in den Windkanälen des DLR Modelle in Maßstäben zwischen 1:30 und 1:100 eingesetzt. Konfigurationen zur Untersuchung von Strukturkomponenten wie den Landebeinen entstehen in Maßstäben von bis zu 1:3. Während des Projekts werden die Technologien in repräsentativen Umgebungen getestet. Davon ausgehend können in Folgeprojekten Prototypen gebaut und tatsächlich im Wellstall getestet werden.


RETALT bündelt Spitzenforschung aus Europa


Das DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik ist verantwortlich für die Koordination des Projekts, das Design der Referenzkonfigurationen sowie die Bewertung von Aerodynamik und aerothermodynamischem Verhalten durch Windkanaltests und Computational-Fluid-Dynamics-Simulationen (CFD). Beteiligt sind die Abteilungen Über- und Hyperschalltechnologien am DLR-Standort Köln und die Abteilung Raumfahrzeuge am Standort Göttingen. Partnerorganisationen sind das DLR, CFS Engineering (Schweiz), Elecnor Deimos (Spanien), MT Aerospace (Deutschland), Almatech (Schweiz) und Amorim Cork Composites (Portugal).


Auch CFS Engineering führt CFD-Simulationen durch und ist darüber hinaus für die Verbreitung und Verwertung der Projektergebnisse verantwortlich. Elecnor Deimos untersucht die Flugdynamik und entwickelt das Leit-, Navigations- und Steuerungskonzept für die Referenzkonfigurationen. MT Aerospace entwickelt Strukturkomponenten wie die Landebeine sowie aerodynamischen Steuerflächen und wird skalierte Demonstratoren der Strukturen herstellen. Almatech entwickelt Mechanismen für die Strukturbauteile und ist verantwortlich für die Konzeption einer Schubvektorsteuerung (TVC). Amorim Cork Composites entwickelt das Thermalschutzsystem (TPS) für kritische Bauteile, insbesondere die Grundfläche der Trägerraketen, die mit heißem Abgasstrahl im Windkanal getestet werden.


Raketenlandung: Forschung auf den Fotos


  • Schlierenbild eines Trennvorgangs eines 4-fach Boosters bei Mach 1,8: Strömungsvisualisierung der Booster-Trennung einer generischen Trägerraketenkonfiguration mit Hilfe der Farbschlieren-Technik, die die Dichtegradienten im Bereich der Verdichtungsstöße als Farbstufen darstellt.
  • Konzeptskizze RETALT1: Die Grafik zeigt die Phasen der Konfiguration RETALT1 (v.r.n.l.): Start, Abtrennung der Nutzlaststufe, die erste Stufe im Sinkflug und die Landung mit ausgefahrener Landebeinstruktur.
  • Konzeptskizze RETALT2: Die Grafik zeigt die Phasen der Konfiguration RETALT2. Links: Start. Rechts: Sinkflug und Landung.
  • Heckströmung am gestuften Zylinder mit Abgasstrahl (TRR40): Zur Auslegung und Bewertung zukünftiger Raumtransportsysteme ist die genaue Charakterisierung instationärer Strömungsvorgänge im Heckbereich besonders relevant. Die komplexe Kopplung chemischer Vorgänge mit dem turbulenten Strömungsfeld bestimmt maßgeblich die thermischen und aerodynamischen Lasten an einer Trägerrakete. Um diese Effekte mit hoher Zuverlässigkeit und Genauigkeit zu quantifizieren, werden am DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik Simulationen an generischen Modellproblemen durchgeführt. Das Bild zeigt exemplarisch Ergebnisse aus einer solchen Simulation, die im Rahmen der Arbeiten innerhalb des SFB-TRR40 der Deutschen Forschungsgemeinschaft entstanden sind.
  • Messstrecke des Hyperschallwindkanals 2: Das DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik betreibt am Standort Köln den Hyperschallwindkanal 2 Köln (H2K). Die Wissenschaftler setzen den H2K unter anderem zur Simulation der Umströmung maßstabsgetreuer Modelle zukünftiger Fluggeräte zwischen Mach 4,8 und 11,2 sowie der Messung aerodynamischer und aerothermodynamischer Belastungen an Modellen und deren Komponenten ein.
  • Messstrecke des Trisonischen Windkanals Köln: Das DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik betreibt am Standort Köln den Trisonischen Windkanal Köln (TMK). Der Windkanal wird unter anderem zu Simulation der Umströmung maßstabsgetreuer Modelle zukünftiger Fluggeräte zwischen Mach 1,25 und 2,4 sowie der Messung aerodynamischer und aerothermodynamischer Belastungen an Modellen und deren Komponenten eingesetzt. Durch ihre ähnliche Funktionsweise ergänzen sich die Windkanäle H2K und TMK und die gleichen Modelle können in beiden Windkanälen getestet werden.
  • Testkammer der Vertikalen Messstrecke Köln: Das DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik betreibt am Standort Köln die Vertikalen Messstrecke Köln (VMK), ein vertikal orientierter Windkanal. Hier können Werte im Bereich von Mach 0,5 bis 0,95 und 1,5 bis 3,2 getestet werden. Dieser Kanal ist mit einer Wasserstoff-Sauerstoff-Versorgung ausgestattet. Mit dieser können Raketenmodelle inklusive heißem Abgasstrahl getestet werden.

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