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Höhenverlust bei Umkehrkurve: Ultraleichtflugzeug trifft Baum

 

08. Okt 2015 - 23:35 Uhr


Flugsicherheit

Höhenverlust bei Umkehrkurve: Ultraleichtflugzeug trifft Baum


Am Unfalltag trafen sich der Pilot und seine Mitfliegerin am Flugplatz Schäfershaus. Nach Angaben des Flugleiters meldete sich der Pilot des Ultraleichtflugzeuges (UL) um 11:22 Uhr über Funk und bat um Startinformationen. Daraufhin gab der Flugleiter Informationen über Startbahnrichtung, Windrichtung und Luftdruck.



Identifikation


  • Art des Ereignisses: Unfall
  • Datum: 06. Oktober 2013
  • Ort: Handewitt
  • Luftfahrzeug: Ultraleichtflugzeug
  • Hersteller / Muster: Aerostyle GmbH / Breezer
  • Personenschaden: zwei Personen tödlich verletzt
  • Sachschaden: Luftfahrzeug zerstört
  • Drittschaden: Flurschaden

Ereignisse und weiterer Flugverlauf


Nach dem Warmlaufen des Triebwerkes teilte der Pilot dem Flugleiter mit, dass zwei Personen an Bord seien und er nach dem Start eine Notfallübung mit einer Umkehrkurve nach dem Start machen wolle. Der Flugleiter gab weiter an, dass er ihm dieses genehmigt habe. Der Start des UL erfolgte um 11:27 Uhr auf der Piste 29, gleichzeitig meldete sich ein Fallschirmspringerabsetzflugzeug mit der Information, dass in zwei Minuten der Absetzvorgang beginnen würde. Diese Information gab der Flugleiter an den UL-Piloten weiter.


Zeugen am nördlichen Flugplatzrand sahen das UL, wie es aus dem Anfangssteigflug nach Überfliegen der am nordöstlichen Flugplatzrand verlaufenden Bundesstraße aus der Steigfluglage in eine Horizontalfluglage überging und eine Linkskurve einleitete. Die Flughöhe wurde von den Zeugen auf 70 bis 80 Meter Höhe über Grund geschätzt. Nach dem Einleiten der Kurve habe das Flugzeug an Höhe verloren; die Querneigung wurde auf 30° geschätzt. Nach einem Richtungswechsel von etwa 150° sei die Querneigung bis auf 60° angestiegen und das Motorengeräusch lauter geworden. Danach sei das UL hinter Bäumen verschwunden. Anschließend wurde das Geräusch von brechenden Ästen und ein Aufschlaggeräusch gehört. Das Ultraleichtflugzeug war auf einen Hohlweg unterhalb der Bundesstraße aufgeprallt. Beide Insassen wurden tödlich verletzt und das UL zerstört.


Angaben zu Personen


Der 53-jährige Pilot war seit 12.11.2002 im Besitz eines Luftfahrerscheins für Luftsportgeräteführer für aerodynamisch gesteuerte Ultraleichtflugzeuge, ausgestellt vom Luftsportgeräte-Büro des Deutschen Aero Club e.V. (DAeC) mit der Berechtigung für Passagierflug, gültig bis 20.09.2015. Seine Gesamtflugerfahrung auf Ultraleichtflugzeugen betrug 307 Stunden. In den letzten 90 Tagen hatte er 07:41 Stunden mit acht Starts und Landungen und in den letzten 30 Tagen 00:43 Flugstunden mit einer Landung absolviert. Das medizinische Tauglichkeitszeugnis Klasse 2 war bis 06.07.2014 gültig.


Im Flugbuch des Piloten wurden Vermerke über durchgeführte Notfallübungen nach dem Start im Alleinflug vorgefunden. Zeugen gaben an, dass der Pilot mit Hinweis auf das Flughandbuch – Kapitel Notverfahren mehrfach Startabbruchübungen in ca. 100 Meter Höhe durchgeführt habe.


Angaben zum Luftfahrzeug


Der Breezer ist ein zweisitziges, aerodynamisch gesteuertes Ultraleichtflugzeug in Metallbauweise.


  • Hersteller: Aerostyle GmbH
  • Muster: Breezer
  • Werknummer: 043
  • Baujahr: 2005
  • MTOM: 472,5 kg
  • Triebwerk: Jaribu 2200
  • Werknummer: 22A1396
  • Rettungssystem: Junkers Magnum HSP
  • Gesamtflugzeit: 740 Stunden

Das UL war in Deutschland zum Verkehr zugelassen und befand sich im Besitz einer Haltergemeinschaft, zu der auch der Pilot zählte. Laut Wägebericht vom 11.06.2011 betrug das Leergewicht 319,8 kg. Die an Bord mitgeführten Gepäckstücke wogen vier kg. Laut Obduktionsgutachten betrug das Gewicht beider Insassen 170,8 kg. Das Wrack wurde durch die BFU nachgewogen, dabei wurde eine Masse von 325,9 kg ermittelt. Das UL war mit Zusatzausrüstung ausgestattet, welche im Wägebericht vom 11.06.2011 nicht aufgeführt war. Laut Wägebericht betrug die maximale Kraftstoffmenge 70 l.


Ein Miteigner gab an, dass es innerhalb der Haltergemeinschaft eine Abmachung gab, das UL immer für den nächsten Flug vollgetankt abzustellen.


Berechnung des Beladezustandes


Masse (kg)


  1. Leergewicht nach Wägung (BFU): 325,9
  2. Besatzung: 170,8
  3. sichergestellte Instrumente: 5,9
  4. Gepäck: 4
  5. Kraftstoff 70 l: 50,4

Gesamtflugmasse: 557


Angaben aus dem Flughandbuch Breezer


Im Flughandbuch des UL sind im Kapitel III – Notverfahren Angaben zum Verhalten bei Triebwerksstörungen beschrieben. Für den Fall einer Triebwerksstörung unmittelbar nach dem Start sieht das Notverfahren (Kap. III. 2.2) vor:


Startabbruch


1. Nachdrücken


2. Fahrt aufholen


3. Geradeaus landen, nur kleine Richtungsänderungen zum Ausweichen von Hindernissen durchführen.


Flughöhe und Fluggeschwindigkeit reichen nur selten aus, um die für eine Rückkehr zum Flugplatz notwendige 180° Kurve ausführen zu können.


Achtung


Eine Umkehrkurve erst ab 100 Meter Höhe in Erwägung ziehen.


Im Kapitel II.5 Massen / Schwerpunkt des Flughandbuches der Breezer wird u. a. auf das Abfluggewicht wie folgt hingewiesen:


Hinweis


Für die Einhaltung des maximalen Abfluggewichts ist der Pilot verantwortlich! Werden Ausrüstungskomponenten ab- bzw. angebaut, sinkt bzw. erhöht sich das Leergewicht dementsprechend.


Warnung


  • Ein Überschreiten des maximalen Abfluggewichtes führt zu einer Überlastung des Ultraleichtflugzeuges sowie zur Verschlechterung von Flugeigenschaften und Flugleistungen
  • Ein Überschreiten der Schwerpunktgrenzen verhindert die Steuerbarkeit und Stabilität des Ultraleichtflugzeuges

Meteorologische Informationen


Nach Angaben der Luftaufsicht herrschten Sichtflugwetterbedingungen.


Funkverkehr


Es bestand Sprechfunkverbindung zwischen dem UL-Piloten und dem Flugleiter. Der Sprechfunkverkehr wurde nicht aufgezeichnet.


Angaben zum Flugplatz


Der Verkehrslandeplatz Flensburg Schäferhaus (EDXF) liegt auf einer Höhe von 140 ft AMSL. Der Flugplatz verfügt über eine 1.220 Meter lange und 30 Meter breite Start- und Landebahn mit Bitumenbelag in Ausrichtung 110°/290°. Nördlich der Hauptbahn verläuft parallel dazu eine 1.200 Meter mal 60 Meter Graspiste. Des Weiteren verläuft eine 700 Meter mal 45 Meter Graspiste mit der Ausrichtung 042°/222° quer über den Flugplatz. Zum Unfallzeitpunkt war die Piste 29 in Betrieb.


Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug


Die Unfallstelle befand sich unterhalb der nordöstlich des Flugplatzrandes verlaufenden Bundesstraße 199 in Abflugrichtung. Die erste Hindernisberührung an einem Baum erfolgte mit der rechten Tragfläche. Ca. 15 Meter östlich davon lag das Wrack in Rückenlage auf einem Fußgängerweg am Böschungsrand. Aufschlagmarken der linken Tragfläche befanden sich auf dem Gehweg.


Das Seitenleitwerk war nach links gebogen und abgewinkelt. Die rechte Tragfläche war im Bereich des Rumpf-/Flügelübergangs gebrochen. Der Tragflügelnasenbereich war gestaucht. An der rechten Tragfläche befanden sich abgebrochene Äste mit Laub und auf Höhe des Querruders war die Tragfläche abgeknickt. Die linke Tragfläche war zum Leitwerk hin ca. 70° abgewinkelt und über die gesamte Strecke gestaucht.


Beide Propellerblätter waren abgerissen und lagen direkt neben dem Wrack. In der Schwimmerkammer des Vergasers befand sich Kraftstoff. Der Kraftstofftank war vor dem Brandschott aufgeplatzt. Das Foto zeigt die Unfallstelle mit dem Wrack.


Zur Bergung der Insassen wurde der Rumpf des UL durch Ersthelfer gedreht und auf Höhe des Brandschotts gekippt. Es wurde ein starker Geruch von ausgetretenem Kraftstoff wahrgenommen. Das Rettungssystem war nicht ausgelöst. Der Raketenmotor des Rettungssystems wurde durch den Kampfmittelräumdienst der Polizei entschärft.


Zusätzliche Informationen


Die Auslegung des Ultraleichtflugzeuges erfolgte auf Basis der Bauvorschriften für Ultraleichtflugzeuge "BFU 95". Im Kapitel G unter Punkt II (Flughandbuch) waren die Mindestanforderungen an das Flughandbuch beschrieben.


Der Konstrukteur gab an, dass die Abstimmung über den Aufbau der einzelnen Kapitel mit dem für die Zulassung zuständigen Luftsportgerätebüro des DAeC erfolgt sei. Nach seiner Auffassung wäre eine Umkehrkurve in 100 Meter Höhe möglich, wenn die entsprechenden Vorrausetzungen gegeben sind. Dazu zählen unter anderem die Platzverhältnisse, wie Hindernisfreiheit, Startbahnlänge und -breite; die Kurvenquerneigung sowie die Windverhältnisse.


Zu der Ermittlung des Höhenverlustes von 100 Meter gab der Konstrukteur an, dass im Rahmen der Zulassung bei dem Erfliegen der Leistungsparameter (Kapitel VI.5.2 Kurvenflug; 30° Neigung) auch Umkehrkurven geflogen wurden. Bei den Flügen wurde ein maximaler Höhenverlust von durchschnittlich 85 Meter ermittelt.


Die Parameter zu den Flügen waren:


  • 0° Klappen
  • Sofortiges Nachdrücken bei simulierten TW-Ausfall
  • Einhaltung von 100 km/h IAS
Berücksichtigt wurden aber nicht:
  • Schräglagen > 30°
  • Überladung
  • Plötzliche Leistungssteigerung kurz vor, oder während des Strömungsabrisses
Der Konstrukteur gab ergänzend an: Bei den im Handbuch erwähnten 100 Meter habe ich mich aber nicht auf den erflogenen Wert von 85 Meter bezogen, sondern auf den Höhenverlust, der maximal während eines Stalls im Kurvenflug auftritt. Dieser beträgt [...] bei vorderer SP-Lage [Anm. Schwerpunktlage] – unabhängig von der Klappenstellung – 100 m.

Die BFU gab bereits im Jahr 1983 eine Flugsicherheitsinformation V11 heraus mit dem Titel: Simulation von Notverfahren. Eine Empfehlung darin ist: Zum Üben von Notverfahren mit hoher Zuladung sollten auf keinen Fall Passagiere mitgenommen werden.


Der Untersuchungsbericht wurde entsprechend § 18 FlUUG summarisch abgeschlossen, d.h. ausschließlich mit Darstellung der Fakten.


Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, entsprechen Ortszeit. Quelle und Bild: BFU.


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